Besteht ein Zusammenhang zwischen extremer Adipositas und ADHS / Hyperkinetischem Syndrom?
Ich habe jetzt nach zwei komplikationsreichen Operationen mein 3. Magenband bekommen. Mein Sohn hat ein Hyperkinetisches Syndrom (HKS)/ADHS. Jetzt hat mich die Kinderpsychologin darauf angesprochen, ob ich nicht auch ADHS haben könnte. Ich spüre keinen Hunger und keine Sättigung mehr, bin leicht ablenkbar und habe immer wieder Heisshungerattacken. Ich glaube, dass Magenband funktioniert diesmal auch wieder nicht...
Antwort:
Magenband-Op bei Adipositas und ADHS
In den vergangenen Monaten wurden mehrere Fachartikel veröffentlicht, die einen Zusammenhang zwischen schweren Formen der Adipositas (massives Übergewicht) und Probleme der Selbststeuerung und Aufmerksamkeitsverarbeitung im Sinne eines ADHS = Aufmerksamkeits-Defizit/ Hyperaktivitäts-Syndroms beschreiben.ADHS und AdipositasIn unserer Klinik mit den beiden Schwerpunkten Essstörungen / Adipositas und ADHS sehen wir dementsprechend zunehmend Patientinnen und Patienten, die ähnlich wie Sie auf diesen möglichen Zusammenhang gestossen sind. Relativ typisch für diese Patientengruppe ist :
- Beginn der Adipositas in der frühen Kindheit
- deutliche Zunahme im frühen Erwachsenenalter, wenn äußere Strukturen und regelmässige Esszeiten (Frühstück!) nicht mehr eingehalten werden
- "Vergessen" von Mahlzeiten, unregelmässiges (chaotisches) Essverhalten
- Berichte über extreme Gewichtsschankungen (z.B. von 60 bis 130 kg innerhalb weniger Monate)
- fehlendes Hunger- und Sättigungsgefühl
- Essanfälle besonders abends / nachts als Kompensationsversuch gegen innere Anspannung und Unruhe
- Familienangehörige (Kinder, Geschwister) mit ADHS
- häufig scheinbar "paradoxe" Reaktionen auf einige Medikamente oder Narkosemittel -> häufiger Komplikationen bei den Behandlungen
- wiederkehrende Stimmungseinbrüche bzw. starke Stimmungsschwankungen
- Prämenstruell verstärkte Symptomatik bei Frauen
In der Klinik zeigt sich, dass ein auf die Behandlung der Adipositas abgestimmtes Programm mit Ernährungsschulung und Bewegungsaktivierung erst dann wirklich bei dieser Patientengruppe greift, wenn das zugrundeliegende ADHS-Problem erkannt und auch medikamentös behandelt wird. Auffällig war dabei bei der Nachbetrachtung und Verlaufsbeobachtung dieser Patientengruppe, dass ADHS-Patienten mit komorbider Adipositas (Grad II bis III) unter der Medikation mit Stimulanzien erstmals regelmässig Mahlzeiten zu sich nehmen konnten und ohne Hungergefühl sich an die Ernährungspläne halten konnten. Dies führte dazu, dass mit dem Beginn der Medikation tatsächlich eine kontinuierliche Gewichtsabnahme (im Schnitt 500 g pro Woche) begonnen und erfreulicherweise meist auch nachstationär fortgeführt werden konnte!
Wir empfehlen dringend vor der Indikationsprüfung einer Magenband-Operation oder Ballon-Einlage bei morbider Adipositas eine etwaige ADHS-Problematik diagnostizieren und behandeln zu lassen!