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Antidepressiva Ja oder Nein ?
Mein Arzt empfiehlt mir Antidepressiva gegen meine Depressionen oder Angststörungen. Ist das wirklich die beste Wahl ?
Vor dieser Frage stehen täglich zahlreiche Menschen, bei denen der Hausarzt oder auch ein Psychiater eine depressive Störung, Erschöpfungssyndrome oder andere psychische Probleme diagnostiziert hat.
Versucht man sich dann objektiv bzw. ausführlicher über das Für und Wider einer medikamentösen Behandlung von Depressionen oder Schlafstörungen zu informieren, stösst man eigentlich nur noch auf Widersprüche und Ungereimtheiten. Das wird die eigene Verunsicherung und damit die mögliche Ablehnung einer medikamentösen Behandlung natürlich eher verstärken.
Leider haben die Ärzte heute unzureichend Zeit, diese Sorgen und Fragen ihrer Patientinnen und Patienten zu klären.
Möchten Sie lieber Psychotherapie und / oder Antidepressiva ?
Natürlich sollte man als Therapeut zunächst klären, was denn der Wunsch des Patienten ist. Also die Vorliebe bzw. etwaige Vorbehalte gegen die Therapien klären. Die meisten meiner Patienten antworten dann eher : "Ich bin mir nicht sicher". Was raten SIE denn ?
Faktisch ist es aber weit schwieriger eine Psychotherapie zeitnah zu bekommen als nun eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva zu beginnen. Der Griff zum Rezeptblock ist halt sehr schnell gemacht, eine Verhaltenstherapie oder andere evidenzbasierte psychotherapeutische Behandlung von Depressionen oder anderen psychischen Problemen in aller Regel erst nach Monaten. Und dann dauert es natürlich auch noch, bis sich bei dieser Behandlungsform die Ergebnisse einstellen.
Das "Ideal" einer Kombination von medikamentöser Therapie am Anfang und dann begleitender oder vielleicht auch ersetzender Psychotherapie wird nur selten umsetzbar sein...
Neue Sichtweise auf ein altes Problem
In den vergangenen Jahren haben wir unseren Patienten Depressionen mehr oder weniger als eine Stoffwechselstörung des Gehirns erklärt. Danach seien bestimmte Überträgerstoffe, die Botenstoffe Noradreanlin und Serotonin, bei Menschen mit Depressionen nicht in dem Maß verfügbar, wie es der eigenen psychischen Gesundheit förderlich wäre.
Die verfügbaren Medikamente greifen nun mehr oder weniger spezifisch in dieses System ein. Sie sollen sog. Wiederaufnahme-Kanäle für Serotonin und / oder Noradrenalin blockieren und damit mehr Botenstoff im Gehirn verfügbar machen.
Und damit die Depression behandeln.
Das ist zwar eine schöne Erklärung. Die wissenschaftlichen Belege dafür sind aber ..... Nun sagen wir mal : Widersprüchlich bzw. nicht wirklich hinreichend überzeugend.
Ohne Zweifel beobachtet man als Psychiater bei einer ganzen Reihe von Patientinnen und Patienten mit mittelschweren oder schweren depressiven Störungen ganz eindrucksvolle Besserungen unter den heute verfügbaren Antidepressiva. Das sind so gute Effekte, dass man sich gar nicht traut, KEINE Behandlung anzubieten. Schon allein, weil eben Selbstmordgedanken und auch Suizide eben bei Depressionen häufig sind.
Dann keine medikamentöse Behandlung angeboten zu haben, wäre ja unterlassene Hilfeleistung.
Nun scheint es aber eben leider so zu sein, dass die Forschung im Bereich Psychopharmaka nicht so wirklich "objektiv" war. Kein Wunder möchte man meinen, wenn die überwiegende Mehrzahl der Studien direkt von der Pharmaindustrie bezahlt wurde. Die werden halt sicher die Studien schon so gestalten, dass sich dies nicht negativ auf ihre Verkaufszahlen bzw. den Aktienkurs auswirkt.
Und in der Tat war es wohl so, dass zahlreiche Studienergebnisse mit einem unzureichenden Effekt von Antidepressivabehandlungen schlicht nicht veröffentlicht wurden.
Zudem spielen heute die Untersuchung von neuronalen Netzwerken eine immer grössere Rolle bei der Beschreibung von Ursachen von Depressionen. Mit neuen Untersuchungsmethoden in der Forschung wird heute die pure Vorstellung von Depressionen als eine Stoffwechselstörung zunehmend in Frage gestellt. Funktionelle Bildgebung ermöglicht quasi unter Echtzeitbedingungen einen Einblick in die Regulation bestimmter Netzwerke im Gehirn.
Danach erkennt man, dass es in den Netzwerken, die für Planung und Aktivität aber eben auch Ruhe bzw. Verarbeitung von Erlebnissen (dem sog. default mode network) ganz erhebliche Abweichungen bei depressiven Patienten gibt. Danach spielt möglicherweise die Aktivierung bzw. Inaktivierung dieser Hirnareale unter Anforderungen und im Schlaf eine wesentliche Rolle, ob wir uns depressiv fühlen bzw. bleiben.
Hier scheinen dann ganz andere Therapieansätze gefordert zu sein als die herkömmliche Behandlung mit Antidepressiva.