Frage:
Welche Art von körperlichen (somatischen) Beschwerden können durch Depressionen verursacht sein?Antwort:
Häufig fallen depressive Störungen zunächst viel stärker durch Veränderungen der normalen körperlichen Vorgänge (z.B. Schlaf, Appetit oder Sexualität) als durch die ja eigentlich typischen Veränderungen der Stimmung und emotionalen Erlebnisfähigkeit auf.Somit lassen sich bei depressiven Menschen eine Reihe von charakteristischen Veränderungen der physiologischen (normalen) Körperfunktionen und biologischen Rhythmen nachweisen. Je schwerer die Depression, desto ausgeprägter sind in aller Regel auch die begleitenden körperlichen Beschwerden. Treten z.B. starke begleitende Schmerzzustände oder Schlafstörungen auf (oder aber z.B. Magen-Darmbeschwerden, Schwindelsymptome etc) können die körperlichen Beschwerden eine eigenen eigenen erheblichen Krankheitswert haben und zusätzliche Beeinträchtigungen bedingen. Leider wird sehr häufig dann nur nach einer (vermeindlich) körperliche Ursache der Beschwerden gesucht, nicht aber an eine zugrunde liegende depressive Störung gedacht.
Die vielleicht häufigste Beschwerde bei Depressionen sind Schlafstörungen . Hierbei kann es sich um Ein- oder Durchschlafstörungen handeln. Häufig berichten die Patienten, dass sie stundenlang abends wach liegen und grübeln müssten. Sie haben das Gefühl, "nicht abschalten" zu können und entwickeln bisweilen sogar regelrecht eine Angst vor der Nacht, in der sie nur wieder wachliegen müssen. Andere Patienten berichten über ein frühmorgendliches Erwachen. Dies ist ebenfalls eine recht typische Beschwerde bei Depressionen.
In aller Regel erleben die Patienten den Schlaf als wenig erholsam, sie fühlen sich morgens unausgeschlafen und energielos. Gerade bei Depressionen ist somit ein sogenanntes "Morgentief" häufig anzutreffen, wobei dann im Laufe des Tages eine gewisse Besserung zu verzeichnen ist. Schon allein wegen der schlechten Schlafqualität fehlt es aber an der rechten Energie und dem Antrieb. Viele Patienten fühlen sich gehemmt und unfähig, ganz normale Aktivitäten zu beginnen oder zu beenden.
Häufig sieht man depressiven Patienten schon in der Körperhaltung und Mimik , d.h. im Gesichtsausdruck, diese Problematik an. Sie wirken starr und können ihre Gefühle nicht in einer entsprechenden Mimimik ausdrücken. Letztlich fühlen sich viele Menschen mit einer solchen Problematik auch gehemmt und bereits die kleinste Tätigkeit stellt eine scheinbar unüberwindbare Herausforderung dar. Sie sind leichter erschöpft und haben nur eine sehr geringe Ausdauerfähigkeit. Da sich dies auch auf die Konzentrationsleistungen bezieht, kann z.B. schon das Lesen der Tageszeitung oder das Verfolgen einer Fernsehsendung schwierig bis unmöglich werden.
Ebenfalls auffällig sind Appetitveränderungen . Am häufigsten findet man einen stark verminderten Appetit. Das Essen schmeckt für die Betroffenen fad und es fehlt jeglicher Genuss beim Essen. Somit tritt nicht selten ein deutlicher Gewichtsverlust ein. In Ausnahmefällen gibt es jedoch durchaus auch das gegenteilige Phänomen, d.h. ein deutlich gesteigertes Essverhalten.
Viele Patienten klagen darüber hinaus über erhebliche Verstopfungsprobleme / Obstipation (d.h. Probleme beim Stuhlgang). Dies kann leider für sich genommen, eine erhebliche Problematik darstellen, da einige Menschen dann geradezu zwanghaft auf einen "regelmässigen" Stuhlganz fixiert sind. Treten Verdauuungsbeschwerden mit ausbleibendem oder unregelmässigen Stuhlgang auf, so befürchten sie (bedingt durch die depressogenen Denkverzerrungen) an einem Darmtumor oder einer anderen schwerwiegenden Erkrankung zu leiden.
Wichtig zu wissen ist weiterhin, dass in der Depression ein nachlassendes sexuelles Interesse bzw. eine vorrübergehende Impotenz typisch ist. Bei Frauen treten unregelmässige oder ausbleibende Menstruationsblutungen auf.
Zunächst für den Laien (und leider auch viele Hausärzte) ersichtlich sind auch andere körperliche Beschwerden häufig ursächlich oder in der Folge durch depressive Beschwerden mitbestimmt. Typische Beispiele hierfür sind:
Auch wenn in aller Regel für die akute Schmerzentstehung eine körperliche Ursache anzunehmen ist, so sind doch gerade chronische Schmerzzustände (über 6 Monate) fast immer durch eine depressive Störung mitbestimmt. Dabei ist es zunächst völlig unbedeutend, ob die Depression nun als Ursache oder Folge der Problematik anzusehen ist. Eine begleitende medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung der Depression ist häufig der Schlüssel zur Behandlung chronischer Schmerzzustände!
Gerade der sog. dekompensierte Tinnitus führt zu ganz erheblichen seelischem Leidensdruck bei den Betroffenen. Dies führt häufig ebenfalls zu depressiven Beschwerden. Man weiss heute, dass das Leiden unter chronischen Ohrgeräuschen (im Gegensatz zum blossen Wahrnehmen von Pfeifen oder anderen im Ohr wahrgenommenen Symptomen) durch psychologische Faktoren bestimmt wird. Eine schwere Depresssion wird in aller Regel die Tinnitussymptomatik verstärken.
Gerade ungerichtete Schwindelsymptome für die der HNO-Arzt oder Neurologe keine Erklärung findet können durch Depressionen (oder Angststörungen) unterhalten werden.