Frage:
Was ist mit dem Gefühl der Gefühllosigkeit bei Depressionen gemeint?Antwort:
Ein wesentliches Merkmal bzw. Leitsymptom der Major Depression kann der Verlust der Gefühle bzw. der normalen Fähigkeit Freude oder Traurigkeit (und natürlich jegliche andere Gefühle) zu spüren oder angemessen zu zeigen. Einige Patienten sprechen dabei vom "Gefühl der Gefühllosigkeit", das sie als innere Leere und Unfähigkeit zum Ausdruck eigener Gefühlsregungen (Emotionen) beschreiben.
Gerade in der Beziehung zu nahen Angehörigen kann dies als besonders belastend für beide Seiten relevant werden. So zweifeln depressive Patienten mitunter an Gefühlen, die sie zuvor ihrem Lebenspartner oder Kindern selbstverständlich gegenüber hatten. Aber auch jeglicher Versuch der Aufmunterung oder eine kleine Freude (z.B. ein Spaziergang, Bilder von den Kindern oder Haustieren) scheinen so überhaupt keine Gefühlsregung mehr zu erzeugen.
Häufig genug fühlen sich die Patienten also innerlich eingebunden ("wie in einer Mauer") und man kann häufig dies an einem starren bzw. salbenartigen Gesichtsausdruck auch äußerlich sehen.
Einigen meiner Patienten gegenüber habe ich versucht, diese Symptomatik mit folgendem Modell zu verdeutlichen:
Hält dieser Zustand über einen längeren Zeitraum an und/ oder kommen weitere belastende Ereignisse hinzu (ohne dass es zu angessenen Phasen der Regeneration oder emotionalen Unterstützung käme), so tritt irgendwann eine Phase ein, in der die vorhandenen Kräfte schlicht nicht mehr ausreichen. Leere mit dem beschriebenen Gefühl der Gefühllosigkeit bei Depressionen. Man könnte auch davon sprechen, dass der Organismus eine Art "Notbremse" zieht und quasi den Patienten dazu zwingt, inne zu halten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass jetzt das Denken, Fühlen und Handeln scheinbar überhaupt nicht mehr (richtig) funktioniert.
In dieser Phase kann man die Depression durchaus auch als Aufforderung verstehen, auf eigene Grenzen der Belastbarkeit bzw. Signale der Überforderung zu reagieren. So wie vielleicht auch schon weitere Warnsignale wie ein Hörsturz oder Tinnitus, wiederholte Schlafstörungen oder andere somatische Warnsignale der Depression der Phase der inneren Leere und Gefühllosigkeit bei der Depression voraus gingen. Erst wenn sich grundlegend etwas am Umgang mit den Belastungsanforderungen ändert, wird sich dann auch etwas an der Befindlichkeit sichtbar verändern.
Häufiger merkt man, dass gerade hinsichtlich der emotionalen Ebene eine "Erholung" bzw. Rekonvaleszenz länger dauern kann, selbst wenn der Antrieb oder typische depressive Verstimmtheit bereits rückläufig ist. Es lohnt sich aber, auf die eigenen Emotionen als Signale zu achten.
Wenn ein Gefühl der Entfremdung zur Umwelt bzw. der eigenen Person (sog. Derealisations- oder Depersonalisationserleben) zusätzlich zur Inneren Leere besteht, so ist auch an das Vorliegen von zusätzlichen traumatischen Ursachen für die Depressionen bzw. psychische Problematik zu denken.
Das Gehirn wird dann quasi eine Art Schutzmechanismus aktivieren, bei dem eben jegliche schmerzhaften Gefühle und Wahrnehmungen ausgeblendet werden. Hier kann dann eine gezielte Psychotherapie erforderlich sein, um wieder in das Erleben von Gefühlen zu kommen.