Ärztliche und psychologische Beratung im Bereich Psychologie, Psychosomatik und Psychiatrie (z.B. bei ADHS, Essstörungen, Angst, Beziehungsproblemen, Depression, sexuellen Problemen, Persönlichkeitsstörungen)

Ab welchem Alter darf man Stimulanzien einsetzen?

Geschrieben von: Martin Winkler
Erstfassung: 18 Jul 2003. Geändert: 18 Jul 2003.

Abstrakt:

Ab welchem Alter kann man bei Kinder Stimulanzien einsetzen?

Frage:

Ab welchem Alter darf man Stimulanzien bei Kindern einsetzen?

Antwort:

Die Frage ob bzw. ab wann man eine medikamentöse Therapie mit Psychostimulanzien bei Kindern mit ADHS empfehlen wird, ist nicht generell zu beantworten.

Entgegen den Behauptungen von ADHS-Gegnern ist der Hauptgrund zur Vorsicht einer frühzeitigen Medikamentenverordnung nicht die Gefährlichkeit der Stimulanzien. Vielmehr ist gerade bei Kleinkindern die altersgerechte Entwicklung nicht immer von (vermeindlichen) Symptomen von ADHS zu unterscheiden. Nur einer erfahrenen Therapeutin (bzw. Eltern mit Vorerfahrungen im Bereich ADHS) wird es zumeist gelingen, hier ADHS-typische Symptome von anderen Verhaltensauffälligkeiten zu differenzieren.

Grundsätzlich geht man davon aus, dass man gerade im Vorschulalter zunächst alle nicht-medikamentösen Massnahmen ausschöpfen muss. Hierzu gehören einerseits sicher die Information der Eltern und aller wichtigen Bezugspersonen des Kindes über ADHS, Besonderheiten der Regulationsstörungen und praktische Tips im Umgang mit dem Kind.

Diese Erziehungsberatung führt aber leider nicht bei allen Kindern zum erwünschten Erfolg.

Von vielen Ärzten wird daraufhin eine Ergotherapie bzw. Sensorische Integrationstherapie zur Förderung des Kindes verordnet. Dies kann sicher dann zielführend sein, wenn Wahrnehmungs- oder Koordinationsstörungen eine Rolle spielen. Auf die wesentlichen Problembereiche der ADHS hat dies jedoch zumeist keinen tiefgreifenden Einfluss.

Diätische Massnahmen führen ebenfalls nur bei einem sehr kleinen Anteil (etwa 3%) der Kinder zu einem Erfolg. Entgegen der Beschreibungen einiger Eltern, dass ihre Kinder hyperaktiv oder unruhig auf bestimmte Nahrungsmittelzusätze oder Zucker reagieren, sollte man diese Beobachtung nicht mit der Diagnose oder Behandlungsgrundlagen der ADHS gleichsetzen. Wenn überhaupt hilft dies nur bei einem kleinen Teil der jungen Patienten, kann aber einen Versuch wert sein. Abzuraten ist dagegen von Nahrungsmittelergänzungsstoffen (Algen, Vitamine, Kryptosan etc.)

Somit stehen die Eltern und ihre Therapeuten vor der Frage, ob nicht doch im Einzelfall eine medikamentöse Therapie auch schon vor dem Schulalter möglich ist. Hierzu laufen derzeit in den USA die ersten Untersuchungen, die die positiven oder negativen Auswirkungen einer "Frühtherapie" ermitteln sollen

Einerseits kann man natürlich argumentieren, dass eine frühzeitige medikamentöse Therapie bei Kleinkindern angezeigt ist, wenn andere Massnahmen nicht greifen. Hierdurch könnte die Wahrnehmung der Umwelt und damit auch von Struktur und Rückmeldungen gefördert werden, was der Entwicklung des Kindes förderlich sein könnte.

Andererseits wird man natürlich bei jedem Patienten sehr sorgfältig die Indikation für die Behandlung mit Medikamenten abwägen. Bisher gibt es keine gesicherten Hinweise darauf, dass eine frühzeitige medikamentöse Therapie einen Schaden für das Kind bedeuten würde. Allerdings fehlen eben auch gesicherte Untersuchungen hierzu. Derzeit wird näher untersucht, ob evtl. eine zu frühe Therapie (ab dem 1. oder 2. Lebensjahr) zu Wachstumsproblemen bei den Kindern führen könnte. Die derzeitige Lehrmeinung geht jedoch nicht davon aus.

Ist die Indikation zur medikamentösen Therapie gesichert, wird man in aller Regel ab dem Schulalter eine Stimulanzientherapie anraten. Im Einzelfall kann aber eben auch bereits bei kleineren Kindern eine Therapie angezeigt sein. Dies sollte dann aber von einem qualifzierten Spezialisten mit Erfahrung in der Behandlung von jungen ADHS-Patienten erfolgen.

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