Fabio Piccini, Arzt und jungianisch orientierter Psychotherapeut, Leiter des "Therapiezentrums für Essstörungen" des Pflegeheimes "Malatesta Novello" in Cesena. Freiberufliche Tätigkeit in Rimini und Chiavari. E-mail: . Übersetzt von: Karin Austen.
Frage:
Ich brauche einen Rat bezüglich Gewichtsabnahme durch Diuretika und Abführmittel. Können Sie dies empfehlen?Antwort:
Um ihr Gewicht zu kontrollieren, verlassen sich Patienten mit Essstörungen häufig auf eine Reihe von Techniken und Strategien; dies nennt man Unterdrückungsverhalten. Darunter findet man auch die Selbstverschreibung von Abführ- und Entwässerungsmitteln.
Etwa 1/3 aller Bulimiker verwenden Abführmittel und etwa 10% nehmen Diuretika, um ihren Körper von unerwünschten Kalorien zu befreien. Tatsächlich verspricht die Werbung leichtfertig, dass Abführmittel "gut verträglich" seien. Doch stimmt das wirklich ?
Abführmittel sind Medikamente, die die Verdauungsaktivität und Fäkalienausscheidung stören, während Diuretika die Nierenfunktion anregen und die Urinausscheidung erhöhen.
Der Gebrauch dieser Mittel sollte auf spezifische therapeutische Zwecke beschränkt und die meisten nur auf Rezept verkauft werden. Dennoch beschaffen sich viele Essstörungspatienten sie und verwenden sie exzessiv. Bulimische Mädchen, die jahrelang 5-10 Abführtabletten täglich schlucken, sind keine Seltenheit.
Die häufigsten Gründe, die Patienten vorbringen, um diesen Missbrauch zu rechtfertigen, sind normalerweise Verstopfung (für Abführmittel) und Harnverhaltung (für Diuretika).
Beide Symptome sind in Wirklichkeit die Konsequenz der falschen Ernährungsweise der Patienten und sind Abwehrreaktionen des Körpers, die einen schwer gestörten Stoffwechsel signalisieren.
Doch wenn man Arzneimittel benutzt, um den Körper zu Reaktionen, die fern seiner Möglichkeiten liegen, zu zwingen, gerät man in einen noch schlimmeren, krankhaften Kreislauf.
Abführmittel, die ursprünglich zur Bekämpfung von Verstopfung eingenommen wurden, schädigen auf lange Sicht den Verdauungstrakt, was dann irreversible Verstopfung hervorruft; Diuretika, die ursprünglich zur Bekämpfung von Harnverhaltung eingenommen wurden, schädigen auf Dauer die Nieren und verändern schließlich die Flüssigkeitsbalance und den Salzhaushalt, der die Zurückhaltung von Wasser reguliert.
Es reicht nicht aus, zu wiederholen, dass die Verwendung dieser Mittel zur Gewichtskontrolle nicht nur dumm, sondern auch selbstzerstörerisch ist, wie ein Versuch, ein müdes Pferd zum Laufen zu bewegen. Doch im Endeffekt wird das Pferd nicht nur nicht laufen, sondern, was noch schlimmer ist, wir werden vielleicht gar kein Pferd mehr haben.
Zumindest nach derzeitigem Stand des Wissens ist Adipositas nun nicht durch eine ansteckende Erkrankung zu erklären.
Dennoch ist es ja so, dass man Übergewicht in bestimmten Familien gehäuft vorkommt. Die Anwesenheit eines Menschen mit Fettsucht in der Familie ist aus mehreren Gründen ein Risikofaktor für ein eigenes Übergewicht.
Man schaut sich also quasi die Essproblematik mehr oder weniger ab. Dies scheint nur weniger durch ein Virus oder ein Bakterium zu erklären sein, als vielmehr durch das Essverhalten (Portionsgrösse, Tellergrösse, Anteil von Fett und Kohlenhydraten) bzw. aber auch durch die ständige Beschäftigung mit dem Thema Essen.
Ob für die Zukunft nun die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm doch noch einen Zusammenhang zwischen einer Infektion und der Entwicklung von Übergewicht zeigen wird, wird man sehen. Wahrscheinlich ist es nicht...