Depressionen : Stimmungsprotokoll / Tagebuch von Stimmung und Aktivitäten
Gechrieben von:
Martin Winkler
Erstversion: 2003-08-19.
Letzte Änderung: 2014-11-22.
Frage:
Was ist Selbstbeobachtung von Gedanken und Stimmung bei Depressionen?
Warum soll ich ein Stimmungsprotokoll zu Beginn der Psychotherapie bei Depressionen machen?
Welche Rolle spielen Stimmung und Aktivitäten bei der Depression?
Antwort:
Selbstbeobachtung und Protokoll negativer Gedanken bei Depressionen
Eine der wichtigsten kognitiv-behavioralen Techniken ist
die Selbstbeobachtung von Aktivitäten, Stimmung und Gedanken. Sie hilft dem Therapeuten (und dem Klienten) eine
objektivere Sicht der Beschwerden zu erhalten und
mögliche Ursachen und Änderungen von Symptomen im Verlauf des
Tages oder der Woche zu überprüfen. So kann man zu Beginn einer Psychotherapie der Depressionen einen Ausgangswert entwickeln und Ansatzpunkte für Verhaltensveränderungen gemeinsam aufzeigen.
Typischerweise denkt ein depressiver Mensch, dass sich seine Stimmung und negativen Gefühle und Gedanken IMMER und ohne jegliche Veränderungen am Tag zeigen oder sogar noch im Verlauf des Tages immer schlimmer werden. Eine Protokollierung in einem Stimmungstagebuch oder der Selbstbeobachtung und Protokollierung von Gedanken, Gefühlen, körperlichen Beschwerden und Verhalten kann aber durchaus eine ganz andere Realität zeigen.
Einer meiner Klienten beschrieb es auf diese Weise bei der Besprechung der Selbstbeobachtungsprotokolle bei Depressionen:
"Irgendwie gab mit das Protokollieren und Niederschreiben meiner Stimmung eine Art Kontrolle zurück. In meinem Stimmungstagebuch notierte ich regelmässig zu verschiedenen Uhrzeiten mit Stimmung, innere Unruhe und Aktivitäten, die ich machte. Auch die Wirkung und Nebenwirkungen meines Antidepressivum notierte ich."
Er verwendete eine Skala, die er von 0-10 einteilte
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0 = Gefühl extremer Hoffnungslosigkeit und Verzweifelung
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10 = Grossartig, keinerlei Beschwerden der Depression
Nun war es ganz klar, dass zu Beginn der Therapie bei der Protokollierung der Stimmung überwiegend Werte im Bereich zwischen 0 und 4 auftauchten. Es gelang ihm dann aber, aus dem Tagebuch ein besseres Verständnis über die Entwicklung seiner Beschwerden im Verlauf eines Tages zu entwickeln und eine Abhängigkeit seiner Stimmung von geplanten und durchgeführten Aktivitäten zu erkennen.
Hier sind einige seiner Anmerkungen zu einem typischen Tag mit einer Depression
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06:00 1 liege wach im Bett und muss über den Tag grübeln
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07:00 2 gehe zum Badezimmer
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07:30 2 Trinke einen Becher Kaffee, Appetit sehr schlecht
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08:00 0 Versuche ein Buch zu lesen, kann mich nicht konzentrieren
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09:00 2 lege mich wieder hin, mache mir Sorgen um meine berufliche Zukunft
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10:00 3 höre draussen ein paar Vögel zwitschern
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11:00 4 Entscheide mich aufzustehen und mit dem Hund einen Spaziergang zu machen
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12:00 3 Mittagessen, nur wenig Appetit vorhanden
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13:00 2 möchte Mittagsschlaf machen, kann nict einschlafen
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14:00 5 Besuch von Enkelkind, Spielen gemeinsam
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15:00 2 ist wieder weg, fühle mich extrem einsam
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16:00 0 liege niedergeschlagen und depressiv im Bett
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17:00 0 Kannnicht einschlafen.
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18:00 2 lese Zeitung (Sport)
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19:00 2 Abendessen mit meiner Familie
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20:00 3 schaue Fernsehen
Mit diesem Tagebuch der Stimmung und der
Aktivitäten erhielten wir ein bessereres Verständnis, was
seine Depression beeinflussen konnte:
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Es gab eine Änderung von Symptomen während des
Tages! Häufig beobachtet man ein Tief am Morgen und eine gewisse Besserung im Verlauf des Tages.
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Er erkannte, dass Aktivitäten wie ein Spaziergang mit dem Hund oder das Kartenspielen mit dem Enkelkind einen positiven Einfluss hatte. Dies half ihm, weitere Aktivitäten für die nächsten Tage systematisch zu planen. Hierfür nutzte er eine Liste mit positiven Dingen und Aktivitäten, die er regelmäsig in den Tagesablauf einbauen wollte. Einige seiner Ideen waren beispielsweise ein regelmässiger Spaziergang im Park und eine kurz Zeit der Gartenarbeit (er interessierte sich sehr für seine Rosen). Dies half ihm, eine Strukturierung des Tages zu erzielen und seine Stimmung durch die Wiederaufnahme von Aktivitäten zu stabilisieren.
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Quellen