Frage:
Ist mein Kind hyperaktiv? Hat mein Kind ADS/ ADHS?Antwort:
Bevor sich Eltern mit einer möglichen Diagnose bzw. Therapie eines hyperkinetischen Syndroms bzw. eines Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndroms (ADHS bzw. ADS) auseinandersetzen können, ist es sinnvoll sich umfassend zu informieren.Verständlicherweise reagieren viele Eltern zunächst emotional, verunsichert und möglicherweise sogar empört, wenn sie auf mögliche Verhaltens- und Konzentrationsprobleme ihres Kindes angesprochen werden. Dabei wäre es jetzt umso wichtiger, möglichst sachlich und wissenschaftlich fundiert informiert zu sein.
Es gibt keinen beweisenden oder ausschliessenden Labortest, psychologisches Testverfahren oder sonstige Beweise", die eine definitive Diagnose von ADHS bieten. Vielmehr zeigte sich in der Forschung, dass Blutuntersuchungen, Hirnscans mit einer Computertomographie oder Kernspintomographie oder auch ein Medikationsversuch als Mittel zur Bestätigung oder Ausschluss von ADS/ ADHS ungeeignet sind. Vielmehr empfehlen die Fachgesellschaften, dass zur Diagnose eine vollständige Diagnostik mit folgenden Bestandteilen erfolgen sollte :
Eine vollständige Anamnese = Erhebung durch Befragung der Eltern zur medizinischen Vorgeschichte, Familienerkrankungen, soziale Umstände, Verhalten, Schulleistungen oder Probleme sowie Informationen und Unterlagen wie Zeugnisse von Lehrern oder anderen Erwachsenen, die mit dem Kind in Kontakt kommen.
Eine Beurteilung der intellektuellen, sozialen und emotionalen Fähigkeiten des Kindes in verschiedenen Umgebungen.
Eine körperliche und neurologische Untersuchung, um mögliche (wenn auch sehr seltene) andere Erkrankungen auszuschliessen, die wie ADHS wirken können (beispielsweise Schilddrüsenerkrankungen, Medikamenennebenwirkungen)
Eine Erhebung der diagnostischen Kritierien nach dem Diagnostiksystem des ICD 10 (bzw. DSM-IV). Danach müssen jeweils 6 von 9 Symptome der Unaufmerksamkeit / Aufmerksamkeitsproblematik bzw. Hyperaktivität und Impulsivität über einen Zeitraum von mindestens 6 Monate bestehen und zu überdauernden, krankheitswertigen Beeinträchtigungen geführt haben. Diese Symptomatik sollte nicht besser durch eine andere Ursache erklärbar sein bzw. nicht nur ausschliesslich unter akuten bzw. besonderen Umständen (z.B. eine besonders ungeliebte Lehrerin oder nach einem sehr belastenden Lebensereignis wie eine Scheidung) auftreten.
Die folgenden Fachleute können bei der Diagnosestellung und Verlaufsbeobachtung hilfreich sein :
Auch wenn Lehrer sicher keine Diagnose stellen sollten oder können, sind sie doch häufig die ersten Ansprechpartner für die Eltern. Ihnen kommt eine besondere Bedeutung in der Erkennung und Beschreibung von Aufmerksamkeitssteuerungsproblemen, Ablenkbarkeit bzw. Anforderungen der Selbstorganisation bei Aufgaben zu. Häufig werden sie daher im Rahmen der Diagnostik gebeten, anhand von Beurteilungskalen eine Einschätzung zu den Kindern zu geben. Dabei schliesst allerdings eine gute Schulleistung gerade bei gut strukturiertem Unterricht und hoher Motivation des Kindes (netter Lehrer") ADHS keinesfalls aus.
Ein Kinderarzt ist zumindest in Deutschland derzeit die wichtigste Ansprechperson zur medizinischen Diagnostik von ADHS. Gemeinsam mit dem Hausarzt, der die gesammten Familie und Lebensumstände am besten einschätzen kann, wird ein Kinderarzt andere medizinische Ursachen ausschliessen und bereits anhand der Anamnese der Familie, Fragebögen und zusätzlichen Leistungstests (z.B. Intelligenztest) eine Grunddiagnostik machen. Ein Kinderarzt bzw. der Hausarzt wird in aller Regel auch eine Medikation verschreiben, sollte sich dies als erforderlich erweisen.
Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie sind leider in Deutschland nicht besonders häufig und nicht immer sind sie auf die Diagnostik von ADHS spezialisiert oder dazu bereit. Hier kann jedoch eine fachlich hochqualifizierte Einschätzung und Ausschluss bzw. Bestätigung weiterer bestehender Erkrankungen (z.B. Störungen mit oppositionellem Trotzverhalten, Störung des Sozialverhaltens, Depressionen, Zwänge, Tic-Störungen etc.) erfolgen. Lassen Sie sich geeignete Fachärzte von ihrem Kinderarzt bzw. auch einer Selbsthilfegruppe für ADS/ ADHS empfehlen.
Selbstverständlich können auch weitere Berufsgruppen bzw. Ansprechpartner für die Diagnostik und Therapie erforderlich sein.
Neuropädiater bzw. ein Sozialpsychiatrisches Zentrum können sehr sinnvoll sein, wenn neben ADHS z.B. weitere Wahrnehmungs- und Teilleistungsstörungen bestehen.
Die Kontaktaufnahme zu einer Erziehungsberatungsstelle bzw. Beratungszentren für Eltern stehen immer dann im Mittelpunkt, wenn das Verhalten des Kindes in der direkten Wechselwirkung in der Familie auffällig ist. Hier ist jedoch zu bedenken, dass häufig vorgeschlagene unspezifische Elterntrainings (z.B. Tripple P) nicht für ADHS-Kinder bzw. ihre Eltern ohne Adaption geeignet sind.
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