Frage:
Muss ich als Erwachsener nochmal zur Diagnose, wenn bei mir bereits in der KindheitIch wurde im Alter von 8 Jahren mit einem Hyperkinetischen Syndrom (ADHS) diagnostiziert und habe auch bis zu meinem 16. Lebensjahr Ritalin eingenommen. Während meines Studiums verstärkten sich erneut meine Ablenkbarkeit, Desorganisation und auch Probleme mit der Impulsivität. Ich habe daher erneut Methylphenidat von meinem Hausarzt erhalten. Jetzt will er mir das Medikament aber nicht weiter verordnen, wenn ich nicht durch einen Spezialisten nochmal die Diagnose ADHS bestätigen lasse. Macht das irgendeinen Sinn?
Antwort:
Ja und Nein. Die geschilderten wesentlichen Auswirkungen von ADHS auf die akademischen Leistungen und Alltagsgestaltung werden nicht einfach verschwinden. Sie müssen nicht deshalb zu einem Spezialisten um zu beweisen, dass sie noch ADHS haben, weil es als neurobiologische Veranlagung immer fortbestehen wird. Aber die Ausprägung und der Einfluss der Störungen im Bereich der Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Handlungsplanung ist auch stark von den jeweiligen Anforderungen und Umgebungsbedingungen abhängig.Eine ADHS-Diagnostik umfasst nach den derzeitigen Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie jedoch nicht allein das Feststellen von aktuellen ADHS-Symptomen (d.h. erfüllte ADHS-Kriterien innerhalb der letzten 6 Monate). Vielmehr sollten funktionelle Einschränkungen, d.h. Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen überdauernd und bedeutsam vorhanden sein. Hier wird der Diagnostiker auch an Stärken bzw. genutze Ressourcen und Kompensationsbemühungen fragen.
Gerade wenn ADHS in der Kindheit bereits festgestellt wurde, wird dann die Erhebung der Entwicklungsgeschichte anhand von typischen Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensphasen ein Entwicklungsprofil zeigen, dass eben aufgrund der charakteristischen Defizite im Bereich der höheren Handlungsfunktionen sehr typisch für ADHS ist.
Alternative Störungen bzw. komorbid vorliegende Störungen müssen aber natürlich mit berücksichtigt werden. Daneben sollten andere neuropsychologische Störungen und Wahrnehmungs- oder Teilleistungsstörungen ebenso berücksichtigt werden.
Nicht jeder Erwachsene mit einem ADHS-Syndrom benötigt deshalb immer Stimulanzien. Und die ADHS-Behandlung sollte aus mehr als nur Medikamenten bestehen. Sie sollte Aufklärung und Information über die spezielle Symptomatik und Hilfsmöglichkeiten bei Erwachsenen, Hilfen bei Organisation und Struktur und bei Bedarf auch gezielte Psychotherapie einschliesslichen. Es ist also auf jeden Fall eine gute Idee mit einem spezialisierten Arzt über diese Aspekte zu reden. Das kann z.b. auch eine optimierte Dosierung oder den Wechsel auf ein anderes Medikament einschliessen.
Dr. Martin Winkler ADHS-Schwerpunkt für Erwachsene Klinik Lüneburger Heide Am Klaubusch 21 29549 Bad Bevensen Tel. 05821-960-0