Was sind typische Gedanken und Fehlinterpretationen bei Patienten mit Angst (z.B. Panikattacken?)
Antwort:
Als "Beweis" oder Hinweissymptome für diese Annahme werden Schwächegefühle, Unsicherheit oder ungerichtete Schwindelbeschwerden, Zittern oder aber auch Veränderungen beim Sehen angenommen.
Tatsächlich ist dies allenfalls bei einem sehr geringen Teil der Patienten der Fall. Grundvoraussetzung für einen Ohnmachtsanfall wäre nämlich eine deutliche Absenkung des Blutdrucks und des Puls. Wie die meisten Angstpatienten aber sehr wohl von sich wissen, ist eher das Gegenteil bei einem Angstanfall, da durch die Stressreaktion ein Anstieg von Blutdruck und Herzschlag zu verzeichnen ist. Auch wenn es vielleicht etwas drastisch klingt: Selbst wenn man einmal annehmen würde, dass ein Angstpatient zu Boden sackt und ohnmächtig ist, würde ja spätenstens dann eine normale Anpassungsreaktion des Organismus einsetzen und der Kreislauf wieder in Schwung gebracht werden.
Häufig steckt hinter der Angst in Ohnmacht zu fallen, eher die Befürchtung unangenehm aufzufallen (z.B. als betrunken zu gelten), oder aber von fremder Hilfe abhängig zu sein.
Für die Diagnostik und Behandlung ist es entscheidend zu erfahren, ob der Patient jemals einen Ohnmachtsanfall gehabt hat oder dies "nur" befürchtet. Differentialdiagnostisch wären noch Entfremdungserleben (z.B. Dissoziationen) aber natürlich auch Hyperventilationen auszuschliessen).
Da ein Symptom der Angst ein flaues Gefühl im Magen oder Missempfindungen im Hals- und Mundbereich sein können, befürchten einige Patienten sich übergeben zu müssen. Häufig ist es nicht das (nicht eintretende) Übergeben, als vielmehr die Befürchtung in einer Gesellschaft dann unangenehm aufzufallen und zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu werden. Nicht selten im Zusammenhang mit sozialen Ängsten, sozialen Defiziten oder Schüchternheit zu sehen.
Krankheitsbezogene Ängste treten besonders häufig dann auf, wenn ein naher Angehöriger oder Freund an einer schweren körperlichen Erkrankung leidet oder aber z.B. im Fernsehen (oder auf der Strasse) vermeindlich schwerwiegende Krankheitssymptome beobachtet wurden.
Häufiger werden dann völlig unspezifische körperliche Symptome (z.B. vorrübergehendes Kribbeln, Schwächegefühl in den Armen oder Fingern, Kopfschmerzen, Sehstörungen) als "Beweis" für eine eigene schwere Erkrankung angesehen.
Sicherlich ist es wichtig im Vorfeld einer psychotherapeutischen Angstbehandlung durch eine gründliche ärztliche Diagnostik entsprechende körperliche Ursachen auszuschliessen. Gerade aber Hinweise auf entsprechende neurologische Erkrankungen ergeben sich jedoch durch eine sehr einfache und kurze körperliche Untersuchung sowie die Befragung des Patienten. Im Gegensatz zur Annahme der Patienten sind dabei doch sehr charakteristische Veränderungen zu bestimmen.
Spüren Angstpatienten ein Klossgefühl oder Engegefühl im Hals so befürchten Sie, keine Luft mehr zu bekommen.
Überdurchschnittlich häufig findet man dies tatsächlich bei Patienten mit Atembeschwerden (z.B. Asthma oder chronisch obstruktive Lungenerkrankungen). Bei der Mehrzahl der Patienten liegt aber ganz sicher keine Lungenerkrankung vor. Vielmehr verändert sich das Atemmuster, so dass die Patienten schneller und flacher atmen. Die normale übliche "Bauchatmung" wird durch eine flachere Brustatmung ersetzt, die eigentlich nur als Reserve für besondere körperliche Bedrohungsfälle (zum Weglaufen) gedacht ist. Subjektiv erlebt man dies als Engegefühl oder Luftnot, manchmal auch als Stiche über dem Herzen (siehe Herzphobie/Herzneurose).
Zwar kann durch die schnelle und flache Atmung eine Hyperventilation entstehen (und dabei zuviel Kohlendioxid abgeatment werden), doch ersticken kann man dabei nicht.
Zweifelos sind Angstzustände alles andere als angenehm und stellen durch die scheinbar unvorhersehbaren Umstände des Auftretens eine zusätzliche Verunsicherung dar.
Patienten mit Gedankenrasen bzw. Konzentrationsstörungen aber auch Entfremdungserleben (sog. Derealisation und Depersonalisation) erleben Ängste häufig als Beweis für eine schwerwiegende Nervenkrankheit für die es keine Heilung gibt.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass es in der Psychiatrie eigentlich keine Erkrankungen gibt, bei denen man "verrückt" ist oder gar werden könnte. Wenn man mal bei üblichen Vorurteilen bleiben würde, würde das Bild eines Nervenkranken vielleicht am ehesten bei einem akuten Verwirrtheitszustand bei einer Manie oder Schizophrenie erfüllt sein. Dies sind aber heute sehr kurz anhaltende Zustände. Die Horrorvorstellung durch einen Angstanfall seinen "Verstand zu verlieren" ist also aus psychiatrischer Sicht sicher nicht gerechtfertigt.