guten abend!
den folgenden text zu verfassen ist für mich recht schwierig; ich hoffe das ich es einigermaßen mit nem brauchbaren ergebniss hinbekomme.
ich leide seit einiger zeit an (schweren?) depressionen.
zumindest meine ich daß es depressionen sind, habe da keine fachkundlichen erfahrungen.
ich bin eigentlich mit jedem bereich meines lebens unzufrieden. sei es das soziale umfeld, im berufsleben oder auch mit der person die ich bin.
ich bin 26 jahre alt, alleinstehend und berufstätig in handwerklichen dienstleistungen.
seid ca 1,5-2 jahren (zumindest ist das der zeitraum an den ich mich zurückerinnern kann wo die probleme so massiv auftreten) fühle ich mich nun sehr schlecht.
ich habe keinerlei ziele für die zukunft bei denen ich glaube daß ich sie auch nur ansatzweise erreichen kann.
ich glaube nicht daß ich ich im beruf erfolgreich werde, und vom 08/15 arbeitnehmer aufsteige.
auch glaub ich nicht daß ich jemals eine partnerin finden werde, geschweige denn eine familie gründen kann.
ich lebe eigentlich nurnoch "in den tag" hinein, und "sitze die zeit ab".
vom freundeskreis hab ich mich größtenteils zurückgezogen, bis auf die ängsten freunde solange ich noch vorgeben kann "in ordnung" zu sein.
meine eltern besuche ich recht häufig, aber nur weil meine mutter sich schnell sorgen macht wenn sie mal 2-3 tage nix von einem hört.
meine geschwister kontaktiere ich eigentlich nur bei wichtigen angelegenheiten und versuche auch kaum sie zu sehen. ich rede mich meist damit raus daß ich beruflich viel zu tun hätte.
sollte ich bei diversen anlässen doch mit ihnen zusammen sein, gebe ich meist erfolgreich vor glücklich zu sein und heuchel bei gesprächen interesse an verschiedenen dingen vor dir mir eigentlich völlig egal sind.
gelingt es mir mal nicht allen was vor zu machen weils grad wieder ganz schlimm ist, tu ich so als wär ich grad krank; kopfschmerzen, kreislaufprobleme, usw...
auch schlafe ich sehr wenig, ca 5-5,5 stunden pro nacht, allerdings glaub ich daß dies schon war bevor es so schlimm wurde.
zwei mal im vergangenen jahr hab ich ernsthaft mit selbstmordgedanken gespielt.
ich habe schon oftmals daran gedacht ärztliche hilfe aufzusuchen, doch es sein gelassen weil mir selbst die situation völlig absurrt vorkommt und dann meine daß das schon vorbei gehen würde.
doch ich weiß nicht wie lang ich die situation noch unter kontrolle halten kann, wenn sich nicht bald ein wandel auftut...
hat jemand eine ähnliche situation durchgemacht und kann mir einen rat geben wie ich aus der sache rauskomme?
Hallo Unbekannter,
ich möchte Dir antworten und Dir sagen, dass ich sehr gut verstehen kann, wie es Dir geht. Vor ungefähr 2 Jahren ging es mir genauso wie Dir. Mein Arzt nannte es später "Mittelgradige depressive Episode" ...
Bei mir fing alles mit einer langwierigen familiären Belastung an, die mich sehr beanspruchte und belastete. Dass meine Stimmung dadurch nicht so gut war, hatte also seine Gründe - anfangs. Das familiäre Problem brachte mir viel persönliche Kritik ein, ich hatte zwei kleine Kinder, die ich versorgen musste, einen Job und einen beruflich oft abwesenden Ehemann. Aber ich war stark, schmetterte die Kritiker meistens lässig ab, und wenn mir der Alltag über den Kopf wuchs, riss ich mich zusammen. Die Depression (ich nenne sie "das dunkle Monster") schlich sich ganz leise in mein Leben, so langsam und kontinuierlich, dass ich nicht merkte, dass jeder Tag ein bisschen schlechter wurde. Ich fraß meine Probleme in mich hinein und hatte am Ende das Gefühl, daran zu zerplatzen. Ich begann Gesellschaften zu hassen, in denen es fröhlich zuging, denn ich konnte das Lachen anderer nicht ertragen. Genauso ging es mir mit banalen Gesprächsthemen, ich musste sofort den Raum verlassen, sonst wäre ich ausgerastet oder hätte auf den Boden gespien. So mied ich diese Situationen, grenzte mich aus. Abends ging ich immer später schlafen, denn ich wollte nicht daliegen mit trüben Gedanken, doch dann war ich tagsüber so müde, dass ich nichts tun konnte außer Grübeln, immer dieselben Gedanken und dasselbe Zeug. Ich konnte einfach nichts Neues mehr aufnehmen. Ich saß in der Arbeit oder zu Hause vor meinem Haushalt und schaffte tagelang gar nichts. Meine Familie und meine (früheren) Freunde ließen mich irgendwann in Ruhe. Sie hat Probleme - hieß es - und sie wird fragen, wenn sie Hilfe braucht. Aber wenn man wirklich am Ende angelangt ist, bittet man nicht mehr selbst um Hilfe.
Irgendwann kaufte ich mir eine Packung hochdosiertes Johanniskraut (900mg), denn ich hatte gehört, das würde die Stimmung verbessern. Ich weiss noch genau, dass ich nach 10 Tagen plötzlich das Gefühl hatte, man hätte in meinem Kopf das Licht angeschaltet. Am Wetter lag es nicht - es war November. Auf einmal konnte ich mich auch wieder konzentrieren und musste nicht mehr immerzu grübeln. Es war ein Schock für mich. Daraufhin bin ich zum Arzt gegangen - gleich zum Psychiater. Der stellte dann o.g. Diagnose. Da hatte ich bereits mindestens 3 harte Jahre hinter mir und eine nahezu kaputte Ehe fabriziert. Es tut mir heute leid um diese verlorene Zeit.
Das ist also meine Geschichte. Ich möchte Dich vor allem um eines bitten in dieser Sache, da Du schreibst, Du hättest bereits an Selbstmord gedacht. Bitte sprich mit jemandem, bevor Du etwas unüberlegtes tust. Es gibt immer eine Lösung, auch wenn Du sie im Moment vielleicht nicht sehen kannst.
Überlege doch mal, ob es nicht doch jemanden gibt, mit dem Du über Deine Schwierigkeiten sprechen kannst. Du schreibst, dass Du ein ganz gutes Verhältnis zu Deinen Eltern oder Deiner Mutter hast und dass sie sich um Dich sorgt und Dich drängt, dass Du regelmäßig vorbeikommst. Vielleicht tut sie das, weil sie spürt, dass etwas mit Dir schief läuft. Vielleicht hat sie selber früher mal ähnliche Erfahrungen gemacht (Depressionen sind ja manchmal auch familiär bedingt)?
Du schreibst auch, Du wolltest schon öfter einen Arzt aufsuchen, hast es aber dann verworfen. Ich denke, Du solltest über Deinen Schatten springen und Deinen Hausarzt darauf ansprechen. Wozu sind Ärzte denn sonst da? Und es sind doch sehr oft die seelischen Probleme, die die Menschen zum Arzt führen. Versuch es, von einem lapidaren Arzt-Termin, bei dem man das Problem anspricht, wird es weder schlimmer noch besser. Aber es zeigt Dir vielleicht Alternativen auf. Vielleicht kann Dich ja jemand zum Arzt begleiten und auf Dich im Wartezimmer warten? Vielleicht einer Deiner wirklich guten Freunde, oder eben Deine Mutter, wenn sie belastbar genug ist.
Depressionen sind schlimm, das weiß ich, aber sie sind heute wirklich gut zu behandeln und meistens heilbar - es muss sich eigentlich niemand mehr jahrelang damit quälen oder sich gar das Leben nehmen.
Was Deine beruflichen und partnerschaftlichen Ziele anbetrifft, hast Du eigentlich alle Zeit der Welt und noch gar nichts versäumt. Mitte 20 kann man noch alles in seinem Leben neu und anders machen. Aber dafür musst Du gesund werden, damit Du die Wege, die sich bieten, auch sehen und nutzen kannst. Die Lebenszeit, die Dir eine Depression stiehlt, gibt Dir keiner zurück. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass es bei Dir bald wieder aufwärts geht.
Alles Liebe!
Adriana