Ärztliche und psychologische Beratung im Bereich Psychologie, Psychosomatik und Psychiatrie (z.B. bei ADHS, Essstörungen, Angst, Beziehungsproblemen, Depression, sexuellen Problemen, Persönlichkeitsstörungen)

Psychoanalyse Spieltherapie bei ADHS / Hyperaktivität

Geschrieben von: Dr. Martin Winkler
Erstfassung: 28 Nov 2006. Geändert: 17 Sep 2008.

Abstrakt:

ADHS und Psychoanalyse : Spieltherapie für ADHS gilt nach Auffassung der Bundesärztekammer als eine nicht therapeutisch wirksame bzw. gesicherte Behandlung für Kinder mit Hyperkinetischem Syndrom

Frage:

Ist eine psychoanalytische Spieltherapie sinnvoll bei Kindern mit ADHS / Hyperkinetischem Syndrom?
Unser Kinderpsychiater möchte, dass unser Sohn Felix eine über mehrere Monate oder Jahre angelegte Spieltherapie macht bevor er medikamentös behandelt werden dürfte. Er ist 7 Jahre und hat grosse Probleme bei seiner Konzentration, ist stark ablenkbar und impulsiv. Spielen kann er dagegen prima. Was sollen wir tun?

Antwort:

Psychoanalyse bei ADS / ADHS / HKS

Immer noch sind in Deutschland die Mehrzahl der niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiater psychoanalytisch orientiert und empfehlen daher in aller Regel eine sogenannte analytische Spieltherapie oder aber eine analytisch oder tiefenpsychologisch orientierte Behandlung. So lehnen trotz der allgemeinen Anerkennung der Diagnose ADHS einzelne Therapeuten die blosse Existenz eines ADHS ab, bzw. verweigern eine Behandlung nach den Leitlinienempfehlungen, die u.a. neben einem Elterntraining und ggf. Ergotherapie auch eine medikamentöse Behandlung empfehlen. Wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit einer Spieltherapie bei ADHS fehlen. Im Gegenteil :
Besonders die sogenannte non-direktive Spieltherapie, bei der die Kinder weitgehend ohne therapeutische Strukturierung frei Spielen sollen, gilt als völlig ungeeignet.

Nach den Behandlungsempfehlungen der Bundesärztekammer und den Leitlinienempfehlungen der Fachgesellschaften der Kinder- und Jugendärzte bzw. Psychiater und Neurolgen muss man jedoch feststellen, dass eine solche analytische Spieltherapie bei ADHS als "Behandlung" zu den nicht in ihrer Wirksamkeit belegten Therapieverfahren zu rechnen ist. Es fehlen Studien, die einen nachhaltigen Effekt der Psychoanalyse beim Hyperkinetischen Syndrom /HKS zeigen. In aller Regel empfinden Eltern von Kindern, die eine solche Prozedur durchgemacht haben, die Behandlung als nicht sinnvoll oder sogar schädlich. Leider ist es so, dass dann den Eltern aber Widerstand oder Schuldvorwürfe gemacht werden, wenn sie eine entsprechende Kritik vorbringen. Der Analytiker sieht sich nach seinem Erklärungsmodell gerade dann bestätigt, wenn die Eltern sich einer solche Therapie kritisch gegenüber zeigen. Sieht er / oder sie sich doch dann darin bestätigt, dass die Eltern eigene Schuldgefühle oder mangelnde Aufmerksamkeit ihrem Kind gegenüber "abwehren" bzw. auf den Therapeuten projizieren müssten.

Um es klar zu sagen : Natürlich spielen familiäre Faktoren wie Zusammenhalt und Bindung, entwicklungspsychologische Aspekte und systemische Zusammenhänge bei der Entwicklung des Kindes und der individuellen Ausprägung der ADHS-Problematik und die soziale Anpassungsfähigkeit eine grosse Rolle und erfordern eine kombinierte psychotherapeutische und häufig auch medikamentöse Behandlung. Die von Analytikern propagierten Therapien wurden jedoch bereits von S. Freud selber im Zusammenhang mit "vergesslichen" oder aufmerksamkeitsauffälligen Personen abgelehnt. Freud selber hatte bereits erkannt, dass bei bestimmten Personen eben eine biologische Besonderheit und nicht Konflikte im Sinne der Analyse für die Problematik zuständig sind.

Psychoanalytiker interpretieren häufig das skeptische Verhalten der Eltern bei ausbleibendem Therapieerfolg quasi als Beweis ihrer unbeweisbaren Annahme, dass eine Beziehungsstörung der Eltern zu ihrem Kind IMMER die Ursache für die Hyperaktivität des Kindes sei. Bezeichnend sind Grundannahmen eines Psychoanlytikers, der aus seiner "Erfahrung" bzw. Deutung Spekulationen aneinander reiht :

Behauptung : 1. Die Hyperaktivität eines Kindes basiert immer auf einer frühen und oft persistierenden Beziehungsstörung mit den primären Bezugspersonen, die sich als Verhaltensstörung zeigt. Richtig : Hyperaktivität ist keinesfalls das charakteristische Symptom von ADHS. Eine Verhaltensstörung ist häufig, jedoch nicht immer bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ADHS zu sehen. Auswirkungen auf die Beziehung zu nahen Bezugspersonen sind nach übereinstimmender wissenschaftlicher Sichtweise nicht ursächlich auf eine Beziehungsstörung zurückzuführen.

Behauptung : Trennungserlebnisse in der Familie würden das ADHS-Kind traumatisieren

Richtig : ADHS kommt sowohl in Familien wie auch bei Einzelkindern vor.

Behauptung : Der impulsive Bewegungsdrang des Kindes dient der Flucht vor dem eigenen Innenleben und der emotionalen Nähe in einer Beziehung.

Richtig : Es ist wissenschaftlich nachgewisen, dass Impulsivität und Bewegungsdrang in der Folge einer Neurotransmitterstörung auftreten. Die Spekulation des Analytikers sind interessant, aber völlig unbewiesen.

Behauptung : Der Stimulationsdrang des Kindes hat eine psychisch stabilisierende Funktion für die Mutter. Oft dient die Hyperaktivität des Kindes der Mutter als Antidepressivum. In diesen Fällen hält die Stimulation durch das Kind die Mutter psychisch lebendig.

Richtig : Eigentlich fehlen einem hier die Worte, um einen Kommentar abzugeben. Es ist bezeichnend, wie verachtend ein "Therapeut" mit einem ihm anvertrautem Kind bzw. der Familie umspringt und zu allem Überfluss damit dem Leidensdruck der Familie auch noch eine Schuld der Mutter zuschiebt.

Um es ganz deutlich zu schreiben : Wenn sich ein "Therapeut" so oder so ähnlich in einer "Therapie" verhält, sollte man drigend einen Therapieabbruch erwägen. Eine Hilfe oder positive Veränderung ist da nicht zu erwarten.

Empfehlenswerter wäre es, sich vor dem Therapiebeginn mit einer Selbsthilfegruppe für ADHS und einer Erziehungsberatungsstelle über mögliche Behandlungen für das Kind und seine Familie zu erkundigen. Wirksame Maßnahmen sind verhaltenstherapeutische Elterntrainings in Kombination mit einer ressourcenorientierten und ggf. systemisch ausgerichteten Behandlung, die eine Medikation mit einschliessen kann.

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