Ärztliche und psychologische Beratung im Bereich Psychologie, Psychosomatik und Psychiatrie (z.B. bei ADHS, Essstörungen, Angst, Beziehungsproblemen, Depression, sexuellen Problemen, Persönlichkeitsstörungen)

ADHS und Selbstwertgefühl bei Jugendlichen

Geschrieben von: Martin Winkler
Erstfassung: 08 Mrz 2003. Geändert: 15 Mrz 2003.

Abstrakt:

Warum ist das Selbstwertgefühl bei meinem ADHS-Kind so niedrig?

Frage:

Warum ist das Selbstwertgefühl bei meinem ADHS-Kind so niedrig?

Mein Sohn ist jetzt 17 Jahre alt. Wir haben ihn seit letztes Jahr mit Psychostimulanzien behandeln lassen, weil bei ihm ein ADHS diagnostiziert wurde. Zwar ist jetzt eine deutliche Verbesserung seiner Konzentrationsfähigkeit zu verzeichnen, dennoch ist er häufig niedergeschlagen und hält sich für einen Versager. Den Beginn seiner Lehre als Elektroniker hat er prima geschafft und ist im praktischen Bereich einer der Besten. Die anstehende theoretische Prüfung ist jedoch schrecklich für ihn. Jetzt hat er sogar Selbstmordgedanken!

Antwort:

Leider muss man feststellen, dass sich auch mit dem Beginn einer Stimulanzienbehandlung nicht alle Probleme von allein auflösen. Sehr häufig werden dann sogar den Betroffenen all die negativen Erfahrungen und Rückschläge im Alltag umso deutlicher bewusst. Dabei lassen sich sehr häufig tief sitzende Überzeugungen „falsch zu sein“ oder nicht wie die anderen „funktionieren zu können“ finden. Typisch für ADHS ist dabei, dass es sich bei der Beurteilung der eigenen Fähigkeiten um eine extreme Beurteilung handelt. Entweder die eigenen Möglichkeiten werden grenzenlos überschätzt oder aber bis in das gegenteilige negative Extrem abgewertet.

Sicher kann dies auch als eigenständige Depression eine gezielte medikamentöse Behandlung erforderlich machen ! Häufiger ist jedoch eine langfristig psychotherapeutische Bearbeitung dieser Probleme notwendig. Dabei stellt man fest, wie die Betroffenen in all den Jahren immer wieder Rückschläge und Zurückweisung von ihrem Umfeld erlebt haben und auf ihr eigenes Unvermögen zurück geführt haben. Sie hörten häufig „du musst dich nur mehr anstrengen und zusammen reissen“, doch genau dies hatte zu keine Änderung geführt. Das löst Gefühle der Hilflosigkeit und bei vielen ADHS-Betroffenen eine Resignation aus. Das Gefühl doch nicht mit eigener Anstrengung Erfolge zu erzielen, sitzt sehr tief.

Daraus wird deutlich, wie wichtig Erfolge und positive Herausforderungen sind. Präventiv sollte man seinem Kind also immer wieder auf solche positiven Momente hinweisen und sie dadurch verstärken. Erfolge im Sport, kreative Leistungen und andere besondere Fähigkeiten finden sich ja durchaus häufig bei den Kindern und Jugendlichen. Nach meiner Erfahrung profieren die Jugendlichen sehr von Kontakten zu anderen Betroffenen (z.B. in Selbsthilfegruppen), auch wenn sie Hilfsangebote von aussen zunächst meist rigoros ablehnen.

Viele Jugendliche mit einer entsprechenden negativen Erfahrung sind auch allein durch die Erkenntnis, dass es ein Syndrom und damit eine Erklärung für ihre Problematik gibt, erleichtert. Dennoch ist zu befürchten, dass die Selbstmordgefährdung tatsächlich bei ADHS-Jugendlichen hoch ist. Häufiger wurden auch z.T. extreme Formen der Selbstschädigung berichtet, die den eigenen Tod billigend in Kauf nehmen, was z.T. tödliche Unfälle einschliesst.

In einem solchen Fall sind schnell Grenzen der Belastbarkeit für alle Beteiligten erreicht, so dass unmittelbare Hilfe und professionelles Einschreiten erforderlich ist. Dann sollte man unbedingt Kontakt mit den behandelnden Ärzten aufnehmen und evtl. auch die Einweisung in eine Psychiatrische Klinik zur Krisenintervention vornehmen lassen.

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