Frage:
Antwort:
Bei Patienten und Hausärzten in Deutschland erfreuen sich "pflanzliche" Präparate mit Johanniskraut grosser Beliebtheit in der Behandlung von depressiven Störungen. Dies mag an der Vorstellung liegen, kein "chemisches" Präparat einnehmen zu müsssen bzw. einem Ruf als "sanfte" Alternative zur Psychopharmakotherapie. Insofern ist Johanniskraut ein pflanzliches Antidepressivum.
Vom Wirkmechanismus im Gehirn gehen Pharmakologen davon aus, dass es keine wesentlichen Unterschiede gibt, d.h. im wesentlichen die Wiederaufnahme des Botenstoffes Serotonin im Gehirn blockiert wird. Zweifel gab es aber, ob nun die Wirksamkeit von Johanniskrautpräparaten der von SSRI entspricht. Von Kritikern wurden u.a. unzureichende Standards bzw. Mengen von aktivem Wirkstoff diskutiert und in bisherigen Studien im angloamerikanischen Raum von Johanniskraut eher abgeraten. Ein wesentliches Argument dabei ist sicher auch, dass Johanniskrautpräparate eine Reihe von Wechselwirkungen (Interaktionen) mit anderen Präparaten aufweisen und als frei verkaufbare Präparate häufig ohne Kenntnis der behandelnden Ärzte eingesetzt wurden. Dies kann z.B. bei Krankenhausbehandlungen zu Problemen führen, wenn die Ärzte nichts von der Selbstmedikation ahnen. Eine deutsche Studie belegt jetzt erstmals sogar eine höhere Wirksamkeit der Johanniskrautmedikation gegenüber einem bekannten SSRI. Auch wenn dies unter den Wissenschaftlern umstritten ist, so kann man natürlich dennoch den Einsatz von Johanniskraut im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans einer Depression überlegen.
Wann tritt die Wirkung von Johanniskraut bei Depressionen ein? Die Einnahme von Johanniskraut sollte bei Vorliegen einer Depression nicht nur "bei Bedarf" sondern regelmässig und in einer ausreichend therapeutischen Dosis erfolgen. Dies ist dadurch begründet, dass bis zum vollen Wirkeintritt 7 bis 14 Tage vergehen können und sich die unerwünschten Symptome der Depression wie depressive Antriebsstörung, Schlafstörungen, Lustlosigkeit, innere Unruhe oder Getriebenheit, Gefühlsstörungen oder körperliche Beschwerden nun langsam zurückbilden. Eine Ausnahme kann bei Vorliegen eines Prämenstruellen Syndroms bestehen. Hier kann auch eine Einnahme für wenige Tage angezeigt sein.
Nicht alle Patienten erzielen mit dieser Behandlungsform eine Besserung, aber immerhin 60-70 Prozent berichten über eine nachweisbare Stimmungsverbesserung und Verbesserung des Schlafs innerhalb von 2-4 Wochen.
Besonders gute Erfolgsaussichten gibt es bei der Gabe von Johanniskraut bei eher länger anhaltenden Depressionen (Dysthymie) bzw. leichteren und mittelschweren Depressionen.
Johanniskrautpräparate weisen im allgemeinen eine recht gute Verträglichkeit auf. Arzneimittelnebenwirkungen im eigentlichen Sinne treten selten und meist nur vorrübergehend in der Anfangsphase der Behandlung auf. Hierzu gehören :
Daneben berichten einige Patienten in der Anfangsphase von einer Zunahme von Unruhe oder auch Reizbarkeit bzw. eine stärkere Traurigkeit. Vermutlich handelt es sich hier aber nicht um eine "Nebenwirkung" im eigentlichen Sinne. Vielmehr kann es sein, dass zu Beginn der Behandlung die eigentlichen Symptome der Depression verstärkt wahrgenommen werden. Während in der schweren Krankheitsphase meist ein "Gefühl der Gefühllosigkeit" bzw. starke Verdrängung von Erschöpfung und körperliche und emotionalen Symptomen der Depression vorherrschen können, tritt in der Behandlungsphase jetzt eine stärkere Bewusstwerdung der Symptome auf.
In aller Regel machen Johanniskrautpräparate nicht stark müde oder beeinflussen die Verkehrstüchtigkeit. Dennoch sollte man bei jeglicher Neueinstellung besondere Vorsicht im Strassenverkehr walten lassen, da die Hirnfunktionen auch durch die Depression eingeschränkt sein können. Auch hier handelt es sich um eine vorrübergehende Problematik, die jedoch im Einzelfall auch eine vorrübergehende zusätzliche Medikation zur Beruhigung erforderlich machen kann.
Da es zu Wechselwirkungen u.a. mit Herzmitteln (Herzglykosiden), Gerinnungsmitteln wie Marcumar kommt, sollte man sich vor der Einnahme unbedingt mit dem Arzt und Apotheker besprechen und auch andere pflanzliche Mittel, Homöopathika oder Nahrungsergänzungsmittel angeben.
Eine Frauen sind durch Berichte verunsichert, dass ein Johanniskrautpräparat zu einem verminderten Schutz durch die Anti-Babypille führen könnte. Tatsächlich gab es dazu Berichte, die von einer erhöhten Schwangerschaftsrate ausgingen. Neuere Untersuchungen sehen dies jedoch als völlig unbegründet an. Richtig ist wohl, dass es bei einigen Frauen zu Zwischenblutungen unter einem Johanniskrautpräparat kommen kann. Dies hat bei einigen Frauen dann dazu geführt, dass sie die Pille abgesetzt hatten und in der Folge ungewollt schwanger wurden. Bei sachgemässer Einnahme der Pille kommt es dagegen nicht zu einem erhöhten Schwangerschaftsrisiko bei Behandlung mit Johanniskraut
Pille und Johanniskraut
Es ist nach unserer Einschätzung nicht sinnvoll ohne ärztliche bzw. therapeutische Anleitung eine Medikation mit Johanniskraut zu beginnen, zu ändern oder abzusetzen!