Ursachen für Depressionen im höheren Lebensalter

Gechrieben von: Dr. Martin Winkler und Petros Skapinakis, MD, MPH, PhD Dozent für Psychiatrie (Schwerpunkt Depressionen) an der Universität Ioninnina Griechenland.

Erstversion: 10 Jan 2004. Letzte Änderung: 10 Mai 2006.

Frage:

 Welche Faktoren beeinflussen Depressionen bei Senioren? Warum sind Depressionen im höheren Lebenalter häufiger?

Antwort:

Die Erkrankungsrate von Depressionen nimmt mit dem Alter der Bevölkerung zu. Es gibt eine Vielzahl möglicher Ursachen hierfür. Soziale, psychologische und biologische Risikofaktoren einer Depression treten bei älteren Menschen gebündelt auf. Körperliche Erkrankungen sind bei älteren Menschen häufiger und einige Erkrankungen, wie z.B. ein Schlagafall verursachen häufiger Depressionen. Das Alter ist zudem eine Periode von Veränderungen und Verlust: Von Status und Positionen in der Gesellschaft, Arbeit, Gesundheit, Freunden und Begleitern. Häufig sehen wir auch ein geringes Selbstwertgefühl und Mangel an Möglichkeiten für initime Beziehungen im Vergleich zu anderen Altersgruppen.

Als Auslöser für Depressionen im höheren Lebensalter finden sich prinzipiell ähnliche Faktoren wie bei jüngeren Menschen. Naturgemäss spielen jedoch einige Dinge eine besondere Rolle

  • körperliche Erkrankungen bzw. Einschränkungen

    Gerade chronische Erkrankungen mit einem Einfluss auf die Lebensqualität und Mobilität (Bewegungsfähigkeit) der Menschen stellen eine häufige Quelle für eine depressive Entwicklung dar. Dies ist eine durchaus wechselseitige Beziehung: Einerseits führen chronische Erkrankungen oder Alterserscheinungen zu einer Zunahme depressiver Symptome. Andererseits kann eine depressive Störung die Mobilität und die Fähigkeit zur eigenständigen Lebensführung und Alltagsaktivitäten nachhaltig beeintächtigen. Dies sollte also unbedingt bei der Behandlung von älteren Menschen Berücksichtigung finden. Eine angemessene antidepressive Medikation und Psychotherapie kann häufig die körperliche Grundverfassung der Patienten nachhaltig verbessern!

  • Tod des Ehepartners

    Der Verlust eines Lebenspartners, der einen über Jahrzehnte begleitet hat, stellt naturgemäss eine häufige Ursache für eine Trauerreaktion und auch depressive Entwicklung dar. Die Abschätzung ob es sich um eine normale Trauer ("Trauerjahr") oder aber ein häufig (über 50%) zu beobachtende reaktive Depression handelt ist schwierig. Im Zweifelsfall sollte aber dennoch eine therapeutische Unterstützung und ggf. medikamentöse Therapie angeboten werden. Als besondere weitere Risikofaktoren für die Entwicklung einer schweren Depression bei Witwern bzw. Witwen gelten frühere depressive Episoden bzw. entsprechende Veranlagung, fehlende Selbstständigkeit bzw. fehlende soziale Kontakte, körperliche Gesundheit bzw. begleitende psychische Erkrankungen.

  • Einsamkeit und psychosoziale Faktoren

    Im allgemeinen würde man annehmen, dass Einsamkeit bzw. soziale Isolierung als Auslöser oder Ursachen für eine Depression eine grosse Rolle spielen müsste. Dies liess sich wissenschaftlich nur bedingt belegen (schliesst aber natürlich in der Praxis die Bedeutung nicht aus). Viel stärker als die Frage, ob ein Mensch allein lebt ist die Frage, ob er oder sie sich allein "fühlt" bzw. in der Lage ist, soziale Kontakte als unterstützend und hilfreich zu erleben. Dies mag auf den ersten Blick identisch sein. Doch gerade vertrauensvolle Beziehungen (auch über Distanz) und ein Netz von Kontakten können weit wichtiger sein, als die physische Anwesenheit einer anderen Person im Haushalt.

    Quellen