Ärztliche und psychologische Beratung im Bereich Psychologie, Psychosomatik und Psychiatrie (z.B. bei ADHS, Essstörungen, Angst, Beziehungsproblemen, Depression, sexuellen Problemen, Persönlichkeitsstörungen)

Chronischer Schmerz

Geschrieben von: Prof. Dr. W. Häuser, Abt. Psychosomatik Klinikum Saarbrücken
Erstfassung: 26 Mrz 2003. Geändert: 26 Mrz 2003.

Abstrakt:

Was verursacht chronische Schmerzen?

Wie unterscheiden sich akute und chronische Schmerzen? Was ist ein Schmerzgedächtnis?

Frage:

Was verursacht chronische Schmerzen? Wie unterscheiden sich akute und chronische Schmerzen? Was ist ein Schmerzgedächtnis?

Antwort:

"Chronische Schmerzen, damit müssen Sie leben!"

Viele Patienten mit chronischen Schmerzen haben diesen Satz schon von Ärzten gehört. Während akute Schmerzen bei akuten Entzündungen oder Verletzungen durch medikamentöse oder operative Eingriffe geheilt werden können, sind die meisten chronischen Schmerzsyndrome durch diese Maßnahmen nicht heilbar.

Wenn der Schmerz über 6 Monate anhält, spricht man von einem „chronischen Schmerz“.

Die Ursachen für chronisch Schmerzen sind vielfältig und trotz medikamentöser und operativer Therapie sind die Schmerzen nicht vollständig ausschaltbar. Das heißt jedoch nicht, dass die Schmerzen „eingebildet“ oder vorgetäuscht sind. Die moderne Schmerzforschung kann zeigen, dass bei chronischen Schmerzen ganz andere Mechanismen im Nervensystem ablaufen als beim akuten Schmerz. Vereinfacht gesagt: Das Nervensystem (Nervenstränge, Rückenmark, Gehirn) meldet andauernd Schmerzen, ohne dass eine äußere Ursache noch vorhanden sein muss. Dieser „erlernte Schmerz“ hat sich im Nervensystem festgesetzt und verselbständigt (sogenanntes Schmerzgedächtnis). Mit neuesten wissenschaftlichen Methoden, die nicht Bestandteil der medizinischen Routinediagnostik sind, lassen sich diese Veränderungen auf allen Ebenen des Nervensystems (von Zellen bis zu bestimmten Hirnarealen) nachweisen.

Chronische Schmerzen gehen auch mit anderen Beschwerden, wie z.B. Schlafstörungen, Appetitmangel, Abnahme sexueller Bedürfnisse und allgemeiner Reizbarkeit einher. Viele Patienten verlieren das Interesse an ihrer Umgebung und ziehen sich zurück. Es ist bekannt, dass sich die Intensität des Schmerzerlebnisses und das Ausmaß der depressiven Verstimmung wechselseitig bedingen und verstärken. Der Patient gerät in einen Teufelskreis, in dem die psychische Situation die Schmerzen verstärkt und die Schmerzen auf die psychische Situation zurückwirken. Dieser Prozess kann sich verselbständigen.

Der Schmerz wird zur eigentlichen Erkrankung. Die Betroffenen leiden in mehrfacher Hinsicht:

  • Durch die anhaltenden Schmerzen selbst mit ihren seelischen und sozialen Konsequenzen.

  • Durch den steten Wechsel von Hoffnung auf erfolgversprechende Therapie und der bitteren Enttäuschung über deren Fehlschlag sowie

  • zunehmenden Hilflosigkeit und Passivität als Folge der Enttäuschungen über bisherige ärztliche Maßnahmen