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Abstrakt:
Anpassungsstoerung F43.2 Diagnostik und Behandlung bei Anpassungsstörungen
Frage:
Antwort:
ICD 10
F43.2
Als Anpassungsstörung bezeichnet man die zeitlich in einem Zusammenhang mit Belastungen stehende psychische Störung des Wohlbefindens bzw. der Leistungsfähigkeit. Anpassungsstörungen zeigen sich über unterschiedliche Symptome wie eine depressive Verstimmung, Schlafstörungen, Angststörungen oder eher körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Magen-Darm-Symptome. Somit wird die Therapie der Anpassungsstörung eher im Rahmen einer Psychotherapie (auf Grundlage der Verhaltenstherapie) ausgerichtet sein.
In der Behandlung wird man dann einerseits die Ursachen der Problematik ergründen und schauen, ob bereits früher ähnliche Probleme bzw. Störungen des Wohlbefindens vorlagen. Andererseits werden neue Strategien zum Umgang mit Anforderungen und Belastungen erarbeitet, sowie Hilfen zur Stressbewältigung und Entspannung zum Vermeiden einer erneuten Anpassungsstörung erlernt.
Täglich müssen Menschen mit belastenden Situationen umgehen. Dabei gibt es sehr individuelle Unterschiede, wie sie auf Belastungen reagieren. Gelingt es nicht, die Belastungen angemessen zu verarbeiten und Bewältigungsmöglichkeiten für derartige Erlebnisse zu entwickeln, können Anpassungsstörungen auftreten. Hierbei können sowohl psychische wie auch häufig körperliche Beschwerden eine Rolle spielen.
Allgemein ausgedrückt ist also eine Anpassungsstörung eine Reaktion auf Stress mit einer erheblichen Beeinträchtigung im Alltag. Häufig treten hierunter Symptome der Angst, Depression und oder Schlafstörungen auf. In schweren Fällen können auch Selbstmordgedanken auftreten.
Das ICD 10 definiert eine Anpassungsstörung wie folgt:
Definitionsgemäss handelt es sich dabei um relativ kurzzeitige Symptome (d.h. bis zu 6 Monaten), die als Reaktion auf eine oder mehrere belastende Lebensereignisse ("Stressor") aufgetreten sind. Es muss also ein klarer zeitlicher Zusammenhang (maximal 1 bis 3 Monate) bestehen. Es kommt dabei offenbar weniger auf die schwere der einzelnen Lebensereignisse an als vielmehr auf die subjektive Auswirkung für den Betroffenen und seine Bewältigungsfähigkeiten. Nicht selten führt eine Häufung von verschiedenen Belastungen in einer kritischen Lebenssituation (z.B. Veränderungen) zum Auftreten einer Anpassungsstörung. Die Betroffenen erleben dies dann häufiger als plötzliches Ereignis ("Dekompensation", "Nervenzusammenbruch", "Burn-out")
Die Diagnose wird häufig gestellt, nicht immer wird dabei aber eine gründliche Abgrenzung zu anderen psychischen Erkrankungen (z.B. Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen) vorgenommen. Besonders wichtig (und im Einzelfall schwierig) ist die Abgrenzung zur sog. Posttraumatischen Belastungsstörung, die auf ein akutes oder chronisches (komplexes) Trauma zurückzuführen ist. Diese Erkrankungen sind zumeist hinsichtlich der Dauer, dem Schweregrad bzw. den Auswirkungen auf die Lebensqualität und soziale Kontakte deutlich schwerwiegender als die Anpassungsstörung.
Rein formal sollte zwischen dem auslösenden belastenden Ereignis und der Dauer der Symptome nicht mehr als 6 Monate liegen. Das gilt aber nur, wenn die belastenden Bedingungen und Auswirkungen nicht noch fortbestehen. Dies ist beispielsweise bei Anpassungsstörungen im Rahmen von Arbeitskonflikten, Kündigung etc häufig der Fall.
Dann wird es aber schon wieder "unscharf", da bei einer länger anhaltenden "depressiven Reaktion" die Dauer von 2 Jahren angegeben wird. Die meisten Kliniken werden dann von einer Depression und nicht mehr von einer Anpassungsstörung sprechen.
Vielfach wird dann aber präziser eine sog. Z-Diagnose vergeben, d.h. genauer kodiert, welche Form von Belastung bzw. Stressor denn fortbesteht.
Wenn man ehrlich ist : Richtig sinnvoll und klar ist diese zeitliche Begrenzung bei der Diagnose Anpassungsstörung ganz sicher nicht. Daher gibt es Überlegungen dieses Zeit-Kriterium in der Zukunft aus den Definitionen des DSM V bzw. ICD 10 zu streichen.
Es ist häufig naheliegend, dass Patienten mit einem oder mehreren Stress-Faktoren diese auch allein für das Auftreten und Fortbestehen ihrer psychischen Probleme verantwortlich machen. In der Klinik ist es aber weit weniger klar, ob nun wirklich ein cholerischer Chef oder "mobbende" Kollegen allein für die Symptome verantwortlich sind.
Vielfach werden Patientinnen und Patienten mit einer Anpassungsstörung zu ihrem "Schutz" aus dem belastendem Umfeld heraus genommen durch eine Krankschreibung. Das mag kurzzeitig auch sehr sinnvoll sein, um einen klarerer Kopf zu bekommen bzw neue Perspektiven zu entwickeln.
Gleichzeitig wird dabei aber eben eine Schuldzuschreibung nach aussen (sog. externale Kausalattribution) gefördert und leider nicht selten auch eine Chronifizierung der Problematik eingeleitet. In der Klinik erlebt man es vergleichsweise häufig, dass dann Patienten mit einer Anpassungsstörung über Monate krankgeschrieben sind. In dieser Zeit tritt aber eben auch ohne die Stressoren letztlich überhaupt keine Besserung ein.
In der klinischen Praxis macht die Unterscheidung der verschiedenen Formen einer Anpassungsstörung recht wenig Sinn. Grundsätzlich kann man aber schauen, ob eher ängstliche oder depressive Merkmale vorherschen und sich danach in der Ausrichtung der Therapie richten. Somit unterscheidet man :
Bereits der Begriff macht deutlich, dass es ein Zusammenwirken einer individuellen persönlichen Veranlagung ("Disposition"), eigenen Bewältigungs- und Unterstützungsmöglichkeiten sowie den auftretenden Belastungen ("Stressoren") geht. Immer wenn die individuellen Coping-Möglichkeiten für eine Änderung oder Anpassung an die Belastungsfaktoren nicht - oder nicht mehr - ausreichen, kann es zu einer "gestörten" Anpassung kommen. Diese Beschreibung wird auch als "Diathese-Stress-Modell bezeichnet.
In der klinischen Praxis erlebt man häufig, dass die Betroffenen bereits in der frühen Kindbheit entweder durch neuropsychiatrische Besonderheiten, Lernstörungen, andere körperliche Erkrankungen (Neurodermitis, Asthma etc) oder ungünstige familiäre oder soziale Faktoren "anders" mit Belastungen umgehen mussten. Die akute Anpassungsproblematik ist dann häufig eher ein Wiederaufflammen von alten Problemen oder Konflikten. Nicht selten wird dabei auch Wut, Verbitterung, Ärger etc ausgelöst, was man aber selber eben nicht unbedingt mit alten Konflikten oder Problemen in Verbindung bringt. Vielmehr wird dieser Konflikt dann auf andere Personen (Ehepartner, Arbeitskollegen, Lehrer der eigenen Kinder) projiziert und kann auch in der Therapie gegenüber dem Theraputen auftreten. Das wird dann Gegenstand der Therapie sein....
typische Symptome einer Anpassungsstörung wären
Fast jeder Mensch ist im Laufe seines Lebens mit Situationen konfrontiert, für die zunächst keine Lösung bzw. Ausweichmöglichkeit zur Verfügung steht. Daher sind die Anpassungsstörungen letztlich eine der häufigsten psychiatrischen bzw. psychsomatischen Störungen überhaupt.
Typisch ist, dass viele Betroffene zunächst nicht ihre Probleme ansprechen bzw. sich eher als Opfer von ungünstigen Umständen ("Mobbing") sehen. Sie befürchten, dass durch das Ansprechen des Problems sie sich noch verletzbarer machen oder ihnen das Problem als Schwäche ausgelegt werden könnte. Daher versuchen sie häufig zunächst, durch Aushalten oder Überanstrengung eine Lösung zu erreichen.
Es liegt in der Natur der Anpassungsproblematik, dass man zunächst selber ganz viel versucht, damit aber nicht erfolgreich ist. Grundsätzlich wäre es sinnvoll, dass man nicht allein nach einer Problemlösung schaut, sondern seine eigenen Ressourcen nutzt und wieder mehr in Richtung Gesundheit bzw. persönlichem Wohlergehen macht. Hierzu gehört :
Eigentlich ist die Diagnose einer Anpassungsstörung so wie andere psychische Diagnosen auch eine klinisch zu stellende Diagnose. Als Arzt wird man aber sichergehen wollen, dass nicht eine Schilddrüsenstörung, eine Blutarmut oder eine Entzündung für eine Leistungsminderung mit verantwortlich ist.
Auch an zusätzliche Schlafstörungen wie ein Schlafapnoe-Syndrom oder eine andere Form der Schlafproblematik wird man fragen.
In aller Regel wird der Hausarzt also ein sogenanntes Routinelabor mit Blutbild, Blutsalzen = Elektrolyte, Leber- und Nierenwerte und Entzündungsparameter machen. Und nach Möglichkeit zusätzlich den sog. TSH-Basal-Wert für die Schilddrüsendiagnostik einschliessen.
Als Selbstzahler-Leistung (IGEL) wird man ggf gefragt, ob man den Vitamin-D-Spiegel bestimmen sollte. Das kann durchaus eine hilfreiche Idee sein, da gerade in den Herbst-und Wintermonaten ein Vitamin-D-Mangel auch für Probleme wie bei einer Anpassungsstörung mitverantwortlich sein könnten.
Wie schon zuvor dargestellt wird man als Arzt oder Psychotherapeut den Klienten dazu anregen, seinen Lebensstil etwas weniger belastender zu gestalten bzw. eigene Ressourcen und Stärken wieder mehr in den Mittelpunkt zu stellen.
Hier können speziell Methoden der sog. Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion hilfreich sein. Es könnte also sein, dass einem der Besuch eines solchen Kurses bei einem Psychologen (manchmal auch bei Krankenkassen oder der Volkshochschule) empfohlen wird.
Auch eine Verhaltenstherapie wird häufig mit ähnlichen Methoden bzw. Ansätzen versuchen, dem Klienten neue Bewältigungsmöglichkeiten für Problemlagen zu vermitteln und damit die sog. Selbstwirksamkeitsüberzeugung bzw. Kontrollerleben zu stärken. Dies spiel erfahrungsgemäss bei der Behandlung von Patienten mit Anpassungsstörungen eine entscheidende Rolle. Medikamente wird man in aller Regel nur kurzzeitig geben, da sich Antidepressiva eigentlich weniger bei leichten Formen von Depressionen bzw. Anpassungsstörungen bewehrt haben. Sie können aber kurzzeitig beispielsweise zur Schlafförderung empfohlen werden.
Skeptisch sehe ich die Gabe von angstlösenden Medikamenten (z.B. Lexotanil, Tavor, Diazepam) bzw. klassischen Schlafmedikamenten (Benzodiazepine). Diese sollte man nicht länger als 14 Tage bis 3 Wochen bei Vorliegen einer Anpassungsstörung einnehmen.
Grundsätzlich stellt sich für einen Hausarzt oder Psychiater die Frage, ob nun eine weitere Therapie überhaupt erforderlich ist oder aber die Zeit die Wunden der Anpassungsstörung heilt. Definitionsgemäss ist es aber halt so, dass mit eigenen Bewältigungsmitteln eben gerade keine Anpassung gelang. Das spricht nicht selten dafür, dass es weitere psychische Probleme im Sinne von Hilflosigkeitserfahrungen in der Kindheit bzw. ggf. auch Traumata / Dissoziationen gab. Viele Klienten mit einer Anpassungsstörung haben so ihr Leben lang versucht, negative Erlebnisse quasi zu verdrängen. Dies kann jetzt in der Anforderungssituation der Anpassungsstörung nicht mehr gelingen. Dann wäre durch die psychotherapeutische Behandlung eine Stabilisierung zu erwarten, die aber vermutlich eine längere und auch störungsspezifische Behandlung erfordert.
Kritisch kann es sein, wenn zur Krisenintervention in der Anfangsphase angstlösende Medikamente bzw. Schlafmittel wie Tavor oder ähnliche Benzodiazepine eingesetzt werden und die Behandlung über einen Zeitraum von 2 bis 3 Wochen nicht wieder beendet wird. Dann gewöhnt man sich an die Medikamente und es kann durchaus eine Suchtentwicklung zusätzlich zur Anpassungsstörung durch den Arzt verursacht dazukommen.
Einige Patienten und Patientinnen mit einer Anpassungsstörung wiederum befürchten, dass durch eine Psychotherapie alte Traumata bzw Hilflosigkeitserfahrungen wieder aufgewühlt werden. Das ist keine ganz unberechtigte Angst, die man aber auch direkt mit dem Therapeuten besprechen sollte. Es gibt durchaus nur stabilisierend wirkende Therapieverfahren, die sich auf Probleme im Hier und Jetzt zentrieren. Man muss also nicht immer bei Adam und Eva anfangen, wenn es sich um eine konkrete Anpassungsproblematik z.B. bei Arbeitsplatzkonflikten oder bei Spannungen im familiären Umfeld bezieht
Ist es notwendig Anpassungsstörungen zu behandeln? Was passiert ohne Behandlung bei Anpassungsstörungen?
Selten wird sich ein Problem von allein lösen. Definitionsgemäss liegt ja bei der Anpassungsstörung eine Problematik vor, für die in der gegenwärtigen Lebenssituation eben keine Problemlösung bzw. Anpassung möglich erscheint. Dies kann entweder in der Art der Belastung selber oder aber in der Lebensgeschichte des Patienten begründet sein. So werden häufig Hilflosigkeitserfahrungen aus der eigenen Kindheit bzw. sehr unflexible Bewältigungsstrategien wie Perfektionismus bzw. bedingungslose Pflichterfüllung mit Selbstüberforderung bei Patientinnen mit einer solchen psychischen Anpassungsproblematik gefunden.
Ohne Behandlung besteht die Gefahr, dass sich die Symptomatik in weitere psychische Störungen wie eine Angststörung oder aber eine chronische Depression wandelt bzw. diese zusätzlich auftritt. Schlafstörungen bzw. Erschöpfungssyndrome im Sinne eines Burnout-Syndroms bzw. einer Erschöpfungsdepression finden sich somit sehr häufig bei Klienten, die ursprünglich eine Anpassungsstörung diagnostiziert bekommen haben.
Anpassungsstörung Medikamente : Welche Medikamente gibt es bei einer Anpassungsstörung ?
Im Grunde genommen ist die Anpassungsstörung selber noch keine Indikation für eine medikamentöse Behandlung. Antidepressiva haben eine sichere Behandlungsindikation bei mittelschweren bis schweren depressiven Episoden. Schlafmittel bzw. Beruhigungsmittel sollten bei der Anpassungsstörung auch nur mit Vorsicht und dann allenfalls über einen Zeitraum von 2-3 Wochen gegeben werden.
Spezielle Medikamente mit der Hauptindikation Anpassungsprobleme gibt es so nicht. Einige Therapeuten werden ggf. pflanzliche Antidepressiva wie Johanniskraut in Erwägung ziehen oder ggf. zu einem Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer wie Cipralex raten. Diese Medikamente können die Stressbelastbarkeit etwas steigern.
Wird die Behandlung die Symptome mildern?
Verhaltenstherapie Anpassungsstörung : Wie kann Psychotherapie helfen ?
Im Rahmen einer Psychotherapie kann man u.a. durch Verhaltensprotokollen den Ursachen der Anpassungsproblematik auf den Grund gehen. Man wird somit zum Experten in eigener Sache und kann typische Auslöser, negative Gedanken bzw. auch günstige wie ungünstige Verhaltensmuster erkennen und dann verändern. Im Rahmen einer Verhaltenstherapie wird zusätzlich häufig ein Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training vermittelt.
Zusätzlich wird der Psychotherapeut soziale Kompetenzen wie das Abgrenzen bzw. Nein-Sagen bzw. Einfordern von eigenen Bedürfnissen mit Ihnen üben.
Wie lange wird es bis zur Wiedererlangung der Gesundheit dauern?
Welche Auswirkungen wird die Behandlung der Anpassungsstörung auf Empfindungen, Gefühle und seelisches Befinden haben?
Welche Auswirkungen kann die Behandlung einer Anpassungsstörung auf das Sexualleben haben?
Wie wird das Risiko für andere Erkrankungen beeinflusst?
Was müssen Angehörige wissen, die einen Patienten mit Anpassungsstörungen betreuen?
Was kann man machen, um die Gesundung bei Anpassungsstörungen zu beschleuningen?
Wann kann eine stationäre Behandlung erforderlich werden?
Wo kann ich mich noch weiter über diese Symptomatik informieren?
Gibt es Selbsthilfegruppen für Anpassungsstörungen?
Ratgeber und Bücher zum Thema Anpassungsstörungen
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