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Abstrakt:
Von Vergewaltigung spricht man, wenn eine Person eine andere mit Gewalt oder durch Drohungen zum Geschlechtsverkehr oder anderen sexuellen Handlungen zwingt. Eine Vergewaltigung löst beim Opfer häufig starke emotionale Reaktionen aus, die viel Zeit zu ihrer Verarbeitung in Anspruch nehmen können. Sowohl der Täter als auch das Opfer können aus allen Gesellschaftsschichten stammen. Generelle Persönlichkeitszüge von Vergewaltigern und ihren Opfern sind nur schwer auszumachen.
Frage:
Was ist eine Vergewaltigung und welches sind ihre Volgen? Wer ist der Täter und wer ist das Opfer?
Antwort:
Opfer von Verbrechen leiden oft unter einer Vielzahl emotionaler Reaktionen. Forschungen haben gezeigt, dass die psychischen Auswirkungen eines willkürlichen Angriffs oder einer Verletzung schlimmer sind als physische Schäden oder finanzielle Verluste. Außerdem scheinen Sexualstraftaten im Allgemeinen ernsthaftere psychische Reaktionen auszulösen als Gewaltverbrechen und Einbruchsdelikte.
Das Gesetz definiert Vergewaltigung als das Erzwingen von Geschlechtsverkehr oder anderen sexuellen Handlungen ohne das Einverständnis der anderen Person, und unter Zuhilfenahme oder Androhung von Gewalt. Dieselbe Definition trifft in Fällen zu, in denen einer Person Gewalt angetan wird, während sie sich in einem verletzlichen Zustand befindet, wie z.B. im Schlaf, bei Bewusstlosigkeit, Vergiftungen, physischer oder geistiger Behinderung. Jedwede gegenwärtige oder vorausgehende Beziehung zwischen Täter und Opfer ist hierbei ohne Bedeutung.
Die Mehrheit der Opfer sexueller Übergriffe sind Frauen, und die Täter sind fast immer Männer. Vergewaltigung kann in verschiedene Kategorien eingeteilt werden:
Vergewaltigung durch Fremde: Beispiel: Eine Frau wird auf der Straße von einem Fremden angegriffen oder von einem Mann, der in ihr Zuhause eingedrungen ist.
Vergewaltigung durch bekannte Personen: Der Täter und das Opfer kennen sich relativ gut oder auch nur flüchtig. Hier geschehen Übergriffe häufig bei oder nach einer Party oder einer Verabredung.
Vergewaltigung durch mehrere Täter: Kann als Überfall oder auf privaten Partys vorkommen. Die Tat kann mehr oder weniger geplant sein, ein gewisses Maß an Planung findet jedoch immer statt. Rachemotive können eine Rolle spielen, z.B. die Absicht, eine unabhängige Frau "in ihre Schranken zu verweisen". Wird auch im Krieg als kalkulierte Strategie eingesetzt.
Vergewaltigung in der Ehe: Der Ehemann bezieht sich auf sein "eheliches Recht" auf Geschlechtsverkehr und droht mit Gewalt oder Scheidung, oder er verlangt Sex nachdem er ausfallend wurde und die Frau es nicht wagt, "Nein" zu sagen. Möglicherweise zwingt er sie einfach, trotz Widerstandes.
Es gibt auch zwei Arten versteckter sexueller Übergriffe:
Es ist schwer zu sagen, wie viele Vergewaltigungen sich jedes Jahr ereignen, denn man nimmt an, dass die Zahl der nicht zur Anzeige gebrachten Taten sehr hoch ist (vor allem in Fällen, wo Täter und Opfer sich bereits zuvor kannten). Vergewaltigung wird häufig mit "Fremden" assoziiert, obwohl Untersuchungen zeigen, dass sich der Vergewaltiger und sein Opfer in den meisten Fällen nicht fremd waren. Vermutlich ereignet sich eine nicht unerhebliche Anzahl von Vergewaltigung innerhalb von Ehen. Allerdings ist Vergewaltigung in der Ehe noch immer ein großes Tabu und höchstwahrscheinlich einer der am wenigsten beachtete sexuelle Übergriff.
Die häufigsten körperlichen Verletzungen, die Vergewaltigungsopfer davon tragen sind Schmerzen, Prellungen, Reizungen und Empfindlichkeit im Vaginalbereich, vaginale und anale Blutungen und manchmal auch Risse in diesem Bereich. Wurde das Opfer zu Boden geworfen, kommt es möglicherweise auch zu anderen Verletzungen, wie z.B. Hautabschürfungen und Quetschungen.
Unmittelbar nach einer Vergewaltigung leiden die Opfer häufig unter starken Gefühlsreaktionen. Diese können als persönliche Krise beschrieben werden, in der das Opfer noch einmal die Angst, die Qualen oder Beklemmung durchlebt, vermischt mit einer Art emotionaler Starre. Bei den meisten Betroffenen beginnen diese Reaktionen Tage oder Wochen nach dem Übergriff und nehmen nach zwei bis sechs Monaten langsam wieder ab. Verstörende Emotionen verbunden mit einem niedrigen Selbstwertgefühl und sexueller Dysfunktion können jedoch ein Jahr und länger anhalten.
Verteidigungsmechanismen wie Verleugnung, Verdrängung und Dissoziation kommen bei Vergewaltigungsopfern häufig vor.
Die Verdrängung soll die starken Emotionen blockieren und so ein kurzzeitiges Fliehen vor den schmerzhaften Gefühlen ermöglichen, die psychisch sehr anstrengend sein können.
Verleugnen oder das Verdrängen der schlimmsten Szenen des Übergriffs erlauben es dem Opfer, den akuten Stress zu vermeiden.
Dissoziation ist ein Verteidigungsmechanismus, der während einer schmerzhaften Situation des physischen oder psychischen Missbrauchs, aus der eine Flucht unmöglich ist, angewendet werden kann. Als Überlebenstechnik gibt es dem Betroffenen das Gefühl, den eigenen Körper "verlassen" zu können, und macht es schwerer, sich an das Trauma zu erinnern, vor allem an die Details.
Verteidigungsmechanismen wie diese können die Fähigkeit und Motivation des Opfers, über den Missbrauchs zu sprechen, beeinflussen. Dies ist eine Tatsache, die Durchführer von Befragungen, medizinisches Fachpersonal, Forscher usw. beachten müssen. Auch bei der Auswertung von Studien ist dies wichtig.
Andere, lang andauernde Trauma - Reaktionen nach einer Vergewaltigung können übermäßige Wachheit, das Vermeiden bestimmter Gedanken, Gefühle und Situationen, die das Opfer an das Erlebte erinnern, und starke Reaktionen auf plötzliche, mentale Bilder sein. Vermeidungsverhalten dient als psychologische Abwehr gegen Angst und dauert meist längere Zeit an. Studien zeigen, dass die normale Arbeitsleistung eines Betroffenen für bis zu acht Monaten gestört sein kann.
Eine der häufigsten Folgen einer Vergewaltigung ist eine Depression, die mehrere Monate anhalten kann. Auch Suizidgedanken und -versuche kommen vor, sowie Schlafstörungen, vor allem dann, wenn das Opfer in seinem eigenen Bett vergewaltigt wurde.
Einige Beispiele dafür, wie sich die Lebensweise eines Opfers nach der Tat verändern kann, sind: Es öffnet nicht mehr die Tür, wenn es allein zu Hause ist, es geht nicht mehr in den Waschsalon, vermeidet es, im Dunkeln nach draußen zu gehen und meidet soziale Kontakte, vor allem mit Männern.
Einige Untersuchungen zeigen, dass die Folgen einer Vergewaltigung in der Ehe schwerwiegender sind als die einer Vergewaltigung durch einen Fremden, wie sie von einer vertrauten Person verübt wird, wodurch das Vertrauen in diese nun zerstört ist. Andauernde Gewalt und Vergewaltigungen innerhalb einer engen Beziehung können Effekte haben, die mit denen von Krieg und Folter vergleichbar sind. Durch die wiederholte Gewaltanwendung werden die Konsequenzen noch schlechter zu bewältigen, was zu noch tieferen Wunden führt. Häufig beinhaltet Vergewaltigung in der Ehe eine Kombination verschiedener krimineller Handlungen, wie körperliche Verletzungen, Drohungen und Sachbeschädigung. All dies intensiviert oft das Trauma.
Der Erholungsprozess nach einer Vergewaltigung ist zu einem großen Teil von den Reaktionen der Familie, Freunde und professionellen Helfern abhängig. Es ist für das Opfer wichtig, über da Erlebte sprechen zu können, ohne dabei unterbrochen oder als Person in Frage gestellt zu werden, und dass das Trauma nicht bagatellisiert oder heruntergespielt wird. Auch kann eine Therapie notwendig werden, damit die Geschädigte die traumatische Erfahrung verarbeiten kann. Es ist wichtig, dass der Frau nach einem sexuellen Übergriff keine Schuld oder Verantwortung angelastet wird, und dass sie die wahren Gründe für eine Vergewaltigung versteht.
Die sofortige Versorgung durch medizinisches Fachpersonal ist ebenfalls sehr wichtig. Dabei sollten vor allem folgende Punkte beachtet werden:
Leider gibt die Gesellschaft Vergewaltigungsopfern häufig eine Mitschuld an dem, was geschehen ist. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich das Opfer selbst für die Tat schuldig fühlt, und die Meinung der Öffentlichkeit kann dieses Gefühl noch verstärken. Schuldzuweisungen und Zweifel von Anderen entstammen meist deren eigenen psychischen Verteidigungsmechanismen und nicht einer gefühllosen Grundeinstellung. Diese Denkweise ist zum Teil ein Resultat der unbewussten Überzeugung, dass denen, die sich "richtig" verhalten, schon nichts Schlechtes widerfahren wird - eine Haltung, die auch unseren eigenen Sinn für Sicherheit und Kontrolle stärkt. Ein weiterer Grund für eine solche Einstellung ist, dass das Zuweisen von Schuld an das Opfer von der eigenen Pflicht, zu helfen, zu befreien scheint.
Das erste Ziel des Täters ist es, die Kontrolle über das Opfer zu gewinnen, sodass die Vergewaltigung ausgeführt werden kann. Strategien hierfür sind z.B. physische Gewalt, Drohungen, Einschüchterung und der Gebrauch von Alkohol oder anderen Drogen. Eine weitere Strategie besteht darin, zunächst das Vertrauen des Opfers zu erlangen und eine Situation zu schaffen, aus der es nicht mehr entfliehen kann. Die Strategien variieren, ja nach der Situation, der Beziehung zwischen Täter und Opfer sowie den Absichten des Täters.
Untersuchungen zeigen deutlich, dass Frauen, die vergewaltigt worden sind, dazu tendierten, sich nicht zu verteidigen. Dies trifft sowohl auf Vergewaltigung in der Ehe als auch auf Vergewaltigung durch Fremde zu. Es wird gemeinhin angenommen, kein Widerstand sei die beste Verteidigung, doch später bei Gericht kann dies als negativ bewertet werden. Forschungen in diesem Bereich zeigen zwei Dinge:
Forschungsergebnisse wie diese dürfen jedoch niemals so interpretiert werden, dass man denen die Verantwortung gibt, die nicht in der Lage sind oder zuviel Angst haben, sich zu wehren, oder deren Verteidigung nicht effektiv genug war. Es ist und bleibt eine Tatsache, dass der Täter der Verantwortliche für seine Handlungen ist. Dies gilt vor allem für Vergewaltigung in der Ehe, wo Widerstand sowohl gefährlich als auch selten erscheint.
Die erfolgreichsten Verteidigungsstrategien sind: Den Angreifer kräftig zwischen die Beine treten, ihn an den Haaren ziehen, ihn in die Augen stechen und ihn mit den Fingernägeln oder anderen Gegenständen zu kratzen.
Allerdings scheint diese Art der Verteidigung bei Vergewaltigung in der Ehe nicht den gleichen Effekt zu haben. Männer, die Frauen in engen Beziehungen angreifen, müssen zur Rechenschaft gezogen und angeklagt werden. Ihnen sollte auch eine passende Einzel- oder Gruppentherapie angeboten werden. Die Frauen und ihre Kinder brauchen ebenfalls Hilfe und Unterstützung dabei, eine missbrauchende Beziehung zu verlassen, und sie benötigen besseren Schutz sowie, falls nötig, Psychotherapie.
Vergewaltiger kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Häufig leben sie in einer normalen Beziehung mit einer Frau. Forschungen wurden gemacht, um herauszufinden, ob es bestimmte biologische und/oder persönliche Gründe dafür gibt, warum Männer zu Vergewaltigern werden, doch die Resultate sind unterschiedlich. Aus diesem Grunde ist es schwierig, eine bestimmte biologische Ursache oder spezielle Charakterzüge des "typischen" Vergewaltigers zu bestimmen.
Im Allgemeinen ist es nicht üblich, bezüglich der Gründe für ein Verbrechen auf das Opfer zu blicken, außer bei sexuellen Übergriffen auf Frauen, wo dies häufig geschieht. Frauen, die vergewaltigt werden, werden nicht als psychisch andersartig eingestuft (wie dies oft beim Vergewaltiger der Fall ist). Stattdessen laufen sie Gefahr, mangelndes Urteilsvermögen und/oder einen schwachen Charakter unterstellt zu bekommen. Keine Untersuchung hat jedoch bisher irgendeine Basis für solche Annahmen erbracht, sodass der einzige Effekt ist, dass die Schuld und Verantwortung auf die Frau abgewälzt wird, was es ihr noch schwerer macht, das Trauma zu verarbeiten.
Opfer von Vergewaltigung kommen ebenfalls aus allen Gesellschaftsschichten und Altersklassen. Allerdings bildet sich ein gemeinsamer Faktor heraus: Frauen, die vergewaltigt wurden, waren in ihrer Kindheit häufiger Opfer sexuellen Missbrauchs als andere. Man nimmt an, dass ein solches Kindheitstrauma den Selbsterhaltungstrieb beeinträchtigt, was wiederum die Fähigkeit, gefährlichen Situationen auszuweichen, beeinflusst. Im Allgemeinen aber scheinen sich Vergewaltigungsopfer nicht von anderen Frauen zu unterscheiden, was die Bedeutung des kindlichen Traumas in diesem Zusammenhang schwer bewertbar macht.
Die Ansichten zum Thema Vergewaltigung unterscheiden sich je nach Zeit und Kultur. Die Haltung gegenüber männlicher und weiblicher Sexualität in einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt stand immer und steht in direktem Zusammenhang zu der Einstellung in Bezug auf Vergewaltigung. Wenn man über Sexualität und Vergewaltigung spricht, sollte man stets berücksichtigen, auf welche Weise Männer und Frauen in den Medien, der Werbung, in Filmen und Musikvideos und in der (Gewalt-) Pornografie dargestellt werden. Es ist ebenfalls wichtig, sexuellen Mythen gegenüber kritisch zu bleiben, wie dem Glauben, der Geschlechtstrieb des Mannes sei eine unkontrollierbare Naturgewalt, oder dass Frauen, wenn sie "Nein" sagen, eigentlich meinen.
Die Haltung der Gesellschaft gegenüber Sexualität und Vergewaltigung spiegelt sich in ihren Gesetzen wieder, doch vielleicht am deutlichsten in den Gerichtsverfahren selbst. Ein Beispiel dafür, dass diese beiden nicht immer in Einklang sind, ist die Tatsache, dass vor Gericht Fragen gestellt werden bezüglich dem Verhalten des Opfers, seiner Kleidung, seiner Fähigkeit, dem Täter klar und deutlich "Nein" zu sagen usw. Ein anderes Beispiel ist, dass, obwohl das Gesetz den Rauschzustand als verletzlichen Zustand betrachtet, Forschungen zeigen, dass Frauen sowohl in sozialen als auch rechtlichen Aspekten oft als weniger glaubwürdig gelten, wenn sie während der Vergewaltigung berauscht waren.
Im Folgenden finden Sie einige Links zu den Themen "Männliche Gewalt gegen Frauen", "Missbrauchende Beziehungen" und "Wichtige Informationen in einer Krisensituation".
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