Ärztliche und psychologische Beratung im Bereich Psychologie, Psychosomatik und Psychiatrie (z.B. bei ADHS, Essstörungen, Angst, Beziehungsproblemen, Depression, sexuellen Problemen, Persönlichkeitsstörungen)

Borderline Persönlichkeits-Störung : Diagnostische Kritieren

Geschrieben von: Martin Winkler
Erstfassung: 19 Aug 2003. Geändert: 16 Dez 2006.

Abstrakt:

Die Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine schwere Störung der Gefühle (emotionale Dysregulation), des Selbstbildes und eigenen Identität sowie des zwischenmenschlichen Verhaltens.

Frage:

Was gehört zu den Diagnosekriterien einer Borderline-Störung?
Wie wird eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung diagnostiziert?
Was bedeutet emotionale Dysregulation bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung?

Antwort:

Von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sollte man nur dann sprechen, wenn sich eine ausgeprägte und überdauernde schwere Störung im Bereich der Gefühlssteuerung (Affektregulation), verzerrte Wahrnehmung des Selbstbildes und des zwischenmenschlichen Verhaltens (Interaktion) ergibt.

Typisch ist dabei, dass immer wieder starke Anspannungszustände bzw. emotionale Überflutungen auftreten, die von den Betroffenen nicht ausgehalten und (dysfunktional) u.a. durch Selbstverletzungen oder andere selbstschädigende Verhaltensweisen beantwortet werden.

Stimmungsschwankungen oder Anzeichen einer erhöhten Impulsivität rechtfertigen für sich allein ebenso wenig die Diagnose einer "emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung" wie Selbstschädigendes Verhalten (SVV) "beweisend" für die Diagnose wäre.

Um die Diagnose einer Borderline Persönlichkeits-störung nach den amerikanischen Kriterien des DSM-IV stellen zu können, müssen mindestens 5 von 9 der folgenden Kriterien erfüllt sein:

Affektivität = Emotionale Auffälligkeiten

1. Unangemessen starke Wut oder Schwierigkeiten, Wut und Ärger zu kontrollieren. Hierzu gehören extreme Wutausbrüche, andauernder Ärger, wiederholte aggressive Entgleisungen etc.
2. Affektive Instabilität, die durch eine ausgeprägte Orientierung an der aktuellen Stimmung gekennzeichnet ist (Anmerkung : eine affektivive Labilität kann auch bei anderen Störungen wie ADHS auftreten).
3. Chronisches Gefühl der Leere

Impulsivität

4. Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen wie Substanzmittelmissbrauch, Fressanfälle, Sexualität, rücksichtsloses Autofahren etc.
5. Wiederkehrende Suiziddrohungen, - andeutungen oder - versuche oder selbstschädigendes Verhalten (z.B. Ritzen)

Wahrnehmung / Kognitionen

6. Vorrübergehende, stark stressabhängige Wahrnehmungsverzerrungen (z.B. psychoseartige Ängste) oder schwere dissoziative Symptome (z.B. Erinnerungslücken, Bewegungsstörungen etc.)
7. Schwere Identitätsstörung : eine ausgeprägte Instabilität des Selbstbildes oder des Gefühls für sich selbst

Zwischenmenschlicher Bereich = Interaktion mit anderen Menschen

8. Verzweifeltes Bemühen , reales oder auch nur vermutetes Alleinsein oder Verlassenswerden zu verhindern
9. Schwere Probleme Beziehungen zu anderen Menschen normal zu regulieren. Hierzu gehört ein Muster von istabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen, die durch Extreme der totalen Idealisierung oder völligen Abwertung gekennzeichnet sind.

Typisch für Borderline-Patientinnen ist besonders die Störung der Gefühlsregulation (Affektregulation) bzw. Umgang mit Spannungen. Dies wird auch als emotionale Dysregulation bezeichnet. Stark vereinfacht dargestellt sind Borderline-Patientinnen extrem empfindlich was Stimmungsschwankungen bzw. Ausbrüche angeht. Schon scheinbar geringe Ereignisse führen zu sehr starken emotionalen Reaktionen, die für Aussenstehende somit auch überhaupt nicht erklärbar erscheinen. Nur verzögert erreichen die Betroffenen dann wieder das Ausgangsniveau, sie sind also besonders stressempindlich.
Häufig schildern die Patientinnen dann, dass sie "emotional überflutet" seien, d.h. statt einzelner Gefühle eher einen diffusen Spannungszustand erleben. Dieser ist dann häufig so stark und so lange anhaltend, dass sie durch irgendwelche anderen extreme Verhaltensmuster diesen Zustand beenden müssen. Das Gefühl der Anspannung kann mit Entfremdungserleben (Gefühl der Unwirklichkeit) bzw. dissoziativen Symptomen einhergehen. Durch Selbstschädigende Verhaltensweisen (SVV) versuchen die Patientinnen diese aversiven Spannungszustände zumindest kurzfristig zu durchbrechen.