Hilfe bei Katastrophen : Traumatherapie / EMDR bei akuten Katastrophen (Tsunami Flut- und Erdbeben Katastrophe) / Notfallpsychotherapie

Gechrieben von: Dr. Martin Winkler

Erstversion: 31 Dez 2004. Letzte Änderung: 07 Jan 2009.

Frage:

 Welche psychotherapeutische Hilfe gibt es bei einer Katastrophe für Patienten / Angehörige oder Helfer?
Was kann die Notfallpsychotherapie bei Katastrophen (Erdbeben / Flutkatastrophe Tsunami) anbieten?
Wie werden Opfer und Helfer bei Katastrophen psychotherapeutisch stabilisiert?

Antwort:

Die Erdbeben- und Flutkatastrophe (Tsunami) hat einmal mehr zu einer schweren Traumatisierungen von vielen Tausend Menschen geführt. Die unfassbaren und plötzlichen Auswirkungen der Tsunami-Katastrophe können dabei nicht nur bei den direkt betroffenen Menschen sondern auch den Angehörigen und auch Helfern vor Ort zu schwerwiegenden psychischen Folgen führen. Gerade auch die unglaubliche psychische Belastung der Helfer vor Ort (oder Angehörige, die nach vermissten Personen suchen) kann zu schweren Traumafolgen führen, die es aufzufangen gilt.

Eine Katastrophe ist dadurch gekennzeichnet, dass eine grosse Anzahl von Menschen in einer lebensgefährlichen Situation waren oder sind. Die Auswirkungen für die Psyche der Menschen in solcher Extremsituation des Lebens beziehen sich u.a. auf :

Zweifelos ist dabei eine akute psychische Schockreaktion angesichts des unfassbaren Ereignisses (aus dem Gefühl der Sicherheit) völlig natürlich. Die längerfristigen Auswirkungen im Sinne einer pathologischen Schockreaktion (sog. Posttraumatische Belastungsstörung = PTSB) werden sich erst nach einigen Tagen, Wochen oder gar Monate zeigen.

So wie die unmittelbare medizinische Hilfe und Bergungsarbeiten anlaufen, haben sich auch Psychotherapeuten auf diese Herausforderung sowohl vor Ort wie auch in Deutschland einrichten müssen. Zielsetzung ist es, eine Hilfe für alle Betroffene anbieten zu können. Daher wurde ein Koordinationszentrum für psychotherapeutische Betreuung von Notfallopfern eingerichtet.

Typischerweise treten Symptome einer solchen psychischen Schockreaktion erst verzögert auf. Frühe Anzeichen können Gedanken der Hoffnungslosigkeit, Angst, Selbstmordgedanken und Verlust des Interesses an sonst interessanten Dingen auftreten. Neben Ein- und Durchschlafstörungen, Ängsten und depressiven Symptomen und verschiedensten körperlichen Beschwerden gelten besonders sogenannte "Flashbacks" als typische Merkmale einer pathologischen Traumareaktion. Hierbei erleben die Betroffenen z.B. in Form von inneren "Filmen" oder sich aufdrängenden Bildern (aber auch Geräusche oder Stimmen, Gerüche oder Gedanken) die traumatische Situation wieder und wieder. Bereits kleine Auslöser (Erinnerungs-Trigger) können dabei zu einem Wiedererleben beitragen, oder auch ohne erkennbare Auslösung auftreten.

Die Psychotherapie bietet dabei sehr gezielte und auch kurzfristig anwendbare Hilfen. Dies bezieht sich sowohl auf die Soforthilfe, aber auch speziellere Stabilisierungstechniken für die Betroffenen.

In der Akutphase steht die psychische Stabilisierung und Krisenintervention im Vordergrund. Jetzt gilt es die erlebten Ereignisse zu begreifen oder überhaupt erst einmal die Auswirkugen wahr zu nehmen.Die unmittelbare Krisenunterstützung von Traumaopfern nach einer Katastrophe beinhaltet :

Der Therapeut hilft dann dem oder der Patientin, über gezielte Techniken einen Ort der "inneren Sicherheit" wieder zu gewinnen oder zu konstruieren. Dies kann z.B. über sogenannte Immaginationstechniken erfolgen. Hierbei wird der Betroffene angeleitet in der Vorstellung sich einen "sicheren Ort" vorzustellen und gezielt in der Fantasie aufsuchen zu können. Auch ein "Tresor" kann eine gute Vorstellungshilfe darstellen. Hierbei werden sich aufdrängende Bilder und Gefühle bildlich zunächst "weggeschlossen" bzw. über weitere Distanzierungsübungen ein Abstand und gewisse Kontrolle über sich aufdrängende Bilder und Erlebnisse geschaffen.

Diese Stabilisierungsübungen bieten die Grundlage für weitere psychotherapeutische Traumatechniken.

Die vielleicht bekannteste und wirksamste Methode ist dabei EMDR. Hierbei wird in einem sehr strukturierten Umfeld der Patient angeleitet, die traumatischen Erlebnisse innerhalb sehr kurzer Zeit zu durcharbeiten. Über bestimmte wechselnde Augenbewegungen (oder akustische Reize) induziert der Therapeut einen speziellen Verarbeitungsmodus, der zunächst ein kontrolliertes Wiedererleben der traumatischen Erlebnisse fördert. In der therapeutischen Arbeit wird aber dem Patienten verdeutlicht, dass es sich eben um eine einmalige schreckliche Situation handelte, er aber in anderen Situationen vermeindlicher oder realer Hilflosigkeit (in der Gegenwart oder Zukunft) anders (kompentent) reagieren könnte und reagieren wird.

Eine solche Therapie kann innerhalb weniger Stunden sowohl bei betroffenen Personen wie auch den engagierten Helfern sehr effektiv sein (allerdings benötigen sicher viele der Betroffenen noch sehr lange psychische Unterstützung z.B. bei Verlust naher Angehöriger).

Wichtig wird sein, auch der Bevölkerung vor Ort entsprechende Hilfe anbieten zu können.

Prometheus Literaturdatenbank Psychotraumatologie