Freiwillige Klinikeinweisung und Therapie in der Psychiatrie

Gechrieben von: Martin Winkler Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Erstversion: 2004-02-07. Letzte Änderung: 2016-02-02.

Frage:

 Ich habe von meinem Arzt jetzt eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik zur Psychotherapie erhalten. Was kommt da in der Psychiatrie bei der Therapie auf mich zu?

Antwort:

Psychiatrie : Freiwillige Klinikeinweisung psychiatrische Klinik

Was erwartet mich eigentlich, wenn ich freiwillig zur Aufnahme in eine psychiatrische Klinik gehe ?

Nun, diese Frage kann man pauschal nicht beantworten. Es hängt ganz stark davon ab, welche Zielsetzungen bzw. individuelle Situation und Dringlichkeit besteht. Es macht einen grossen Unterschied aus, ob man in einer schweren depressiven Krisensituation (ggf. mit Selbstmordgedanken) oder aber in einer bereits seit längerer Zeit bestehenden depressiven Verstimmung Hilfe benötigt.

Günstig wäre es auf jeden Fall, wenn der Hausarzt bzw. einweisende Arzt dies zuvor mit Ihnen bespricht und auch den Kontakt zur zuständigen Klinik sucht. Hier würde ein Telefonanruf schon viel erreichen. Warum?

Nun in Deutschland ist für die psychiatrische Versorgung jeweils eine wohnortnahe (sektorisierte) Klinik zuständig. Hierbei gibt es recht unterschiedliche Behandlungsangebote bzw. Möglichkeiten.

Sicher wird bei einer akuten Notsituation jede Klinik die frewillige Aufnahme in die Psychiatrie einer hilfebedürftigen Patientin ermöglichen. Doch muss man sich klarmachen, dass dies dann je nach Kapazität der Klinik zunächst auf einer Aufnahmestation (= ggf. geschlossene Station) erfolgen kann. Speziellere pychotherapeutisch ausgerichtete Stationen einer Psychiatrie haben (ebenso wie z.B. eine speziellere psychosomatische Klinik) oft Wartezeiten.

 

Stationäre freiwillige Behandlung in der Psychiatrie oder Tagesklinik ?

Auch kann es z.B. weit geeigneter sein, sich über eine tagesklinische Behandlungsmöglichkeit in einer Psychiatrie zu informieren. Eine Tagesklinik ist für Patienten geeignet, die zwar eine psychiatrische Hilfe und Therapie wünschen, aber dennoch noch so stabil sind, dass sie am Abend und Wochenende zu Hause leben könnten. Stark vereinfacht kann man sagen, dass die gleichen Therapie-Möglichkeiten wie bei einer vollstationären Behandlung möglich sein sollten, Frühstück und Abendessen (und das Wochenende) aber eben zu Hause eingenommen werden. Mit allen Vor -und Nachteilen...

 

Was passiert dann mit mir in der Psychiatrie ?

Ist aber die Aufnahme in der psychiatrischen Klinik vereinbart, so wird man nach Erledigung der Formalitäten häufig von einer sog. Bezugspflegeperson auf die Station abgeholt. Dies sind Krankenschwestern oder Krankenpfleger, die auch in der psychotherapeutischen Betreuung der Patienten auf der Station mit eingebunden sind. Sie stehen für Fragen und Unklarheiten jederzeit gerne zur Verfügung und werden häufig bereits in einem Erstgespräch Unsicherheiten oder Ängste ansprechen oder klären (z.B. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Versorgung von Kindern, Haustieren, Angehörigen oder Blumen etc.) und einem hoffentlich schon einmal die Station zeigen. In vielen Abteilungen ist es auch so, dass ein Mitpatient als Ansprechpartner den Kontakt zu den anderen Mitbewohnern auf der Station erleichtert.

Keine Sorge, gängige Vorurteile von psychiatrischen Kliniken aus Filmen entbehren meist jeder Grundlage. Heute sind Kliniken (relativ) modern und freundlich ausgestattet und auch die Patienten sind keinesfalls besonders auffällig oder "verrückt". Im Gegenteil.

Speziell die Betroffenheit der Mitpatienten auf der Psychiatrischen Station ermöglicht häufig eine besondere Form von Verständnis und Austausch. Man muss nicht erst lange erklären, was eine Depression oder Angststörung ist. Hier wird dann echtes Verständnis und Anteilnahme möglich.

 

Was muss ich zur Einweisung in die Psychiatrie mitbringen ?

Wenn der Arzt ihnen einen Einweisungsschein mitgegeben hat, so nehmen sie diesen mit. Hilfreich ist es auch, wenn sie weitere Vorunterlagen für den aufnehmenden Arzt dabei haben. Je besser die Psychiatrie über ihre Vorgeschichte informiert ist, desto einfacher. Hilfreich ist es auch, wenn sie ihre derzeitige Medikation sich notiert und sicherheitshalber auch mitnehmen. Nicht jede psychiatrische Klinik hat alle Medikamente (z.B. Blutdruckmedikamente, Herzmedikamente etc) direkt vorrätig.

Neben Hygieneartikeln bzw. Wechselwäsche sollten Sie in die Tasche für den Klinikaufenthalt auch Bücher / Hörbücher oder andere für sie positive Aktivitäten packen. Ein Smartphone / Handy wird in den meisten psychiatrischen Kliniken erlaubt. Ggf. wird aber doch eine Kontakteinschränkung ausgesprochen, wenn man den Eindruck hat, dass sie von ausserhalb der Klinik störenden Einflüssen ausgesetzt sind. Dies würde aber auf freiwilliger Grundlage passieren.

 

Aufnahmegespräch in der Klinik

Nach dem Erstkontakt mit den Pflegeteam wird dann ein Aufnahmegespräch mit einem Arzt / Psychologen erfolgen. Zumeist wird dies mit dem Bezugstherapeuten aus dem Pflegeteam gemeinsam gemacht. Ein solches Erstgespräch dient zur Orientierung bzw. zum Abschätzen der akuten Gefährdung des Patienten. Viele Patienten befürchten aber, dass hier schon alle weiteren Entscheidungen oder Behandlungen festgelegt würden. Häufig wird dann nochmal ein Kontakt zum Oberarzt der Station erfolgen.

Im Erstgespräch werden die Therapeuten sich besonders für folgende Aspekte interessieren :

Meist im Gespräch erhebt der Therapeut einen sog. "psychopathologischen Befund". Hierbei geht es um recht grundlegende Fragen der Orientierung (Wo sind sie? Welcher Tag ist heute?...), Konzentration und Aufmerksamkeitsleistungen ermittelt. Dies wird aber (leider) nicht immer explizit erfragt. Daneben wird das Vorhandensein von Ängsten, Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen, Stimmungsbeeinflussungen oder psychotischen Symptomen (z.B. Verfolgungsideen, Halluzinationen) abgefragt und auch die vegetativen Symptome (Schlafstörungen, Appetitveränderungen, sexuelle Funktionsprobleme) angesprochen.

Dann rundet eine (kurze) körperliche Untersuchung den ärztlichen Erstkontakt ab. Hierbei wird der Arzt / die Ärztin auch eine orientierende neurologische Untersuchung mit einbeziehen. Meist am folgenden Tag schliesst dann eine Blut- und Urinuntersuchung die Erstdiagnostik ab.

Wichtig ist : Bei einer freiwilligen Aufnahme bzw. Einweisung in die Psychiatrie können sie selbstverständlich jederzeit die Klinik wieder verlassen. Mehr : Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie gegen den Willen des Patienten

Wann ist eine stationäre Behandlung in der Psychiatrie besser als eine ambulante Behandlung ?

Eines der wesentlichen Kriterien einer psychiatrischen Behandlung bei Depressionen oder anderen psychischen Störungen ist die Eigengefährdung. Wenn die psychische Last so gross ist, dass Selbstmordgedanken zu Plänen oder konkreten Phantasien für den Freitod sich steigern, wäre eine stationäre Behandlung immer sinnvoll. Das gilt auch, wenn die Depression oder andere psychische Probleme so ausgeprägt sind, dass man seinen Alltag gar nicht mehr geregelt bekommt und Hilfe benötigt.

Im Sinne einer Krisenintervention kann dies auch dann der Fall sein, wenn zu Hause einfach zu viel Spannungen, Unruhe oder Angst (z.B. bei Gewalt in der Famillie) herrscht, so dass zunächst ein Abstand von den häuslichen Problemen erforderlich ist.

 

Darüber hinaus kann eine stationäre Behandlung in der Psychiatrie dann sinnvoll oder erforderlich sein, wenn es um spezielle Therapieangebote geht, die der Psychiater vor Ort nicht anbieten kann. Beispielsweise Schlafentzug bei Depressionen, gezielte Lichttherapie oder auch eine Elektro-Krampftherapie.

 

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Quellen