Frage:
Letztes Wochenende wurde ich von einer Biene in den Hals gestochen. Ich habe eine Wespengiftallergie und wurde notfallmässig in das Krankenhaus eingewiesen. Der Arzt dort erzählte mir von allen möglichen Gefahren, denen ich nur knapp entgangen wäre (z.B. Ersticken durch anschwellen der Luftröhre, Luftröhrenschnitt, allergischer Schock). Eine Allergie hatte ich schliesslich nicht, aber seither lebe ich in ständiger Panik ich könnte von einer Wespe gestochen werden und daran krepieren. Seither habe ich ständig wieder Angstanfälle!!!! Bereits in meiner Kindheit hatte ich eine Angststörung, kam aber bisher prima damit zurecht. Nach dem Tod meiner Mutter durch einen Autounfall (da war ich 7 oder 8 Jahre) alt, hatte ich Panikattacken mit einer ganzen Reihe von körperlichen Beschwerden.Antwort:
Die geschilderte Situation ist recht typisch für eine Auslösesituation einer Panikstörung (oder auch anderer Angststörungen). Wie wir heute annehmen, besteht bei Angststörungen sowohl eine biologische (d.h. angeborene) Veranlagung in Wechselwirkung mit akuten Auslösern bzw. Belastungen (Stressoren).Häufig kann man bei Angstpatienten eine entsprechende Veranlagung (Vulnerabilität) feststellen, die sich als erhöhte Empfindlichkeit darstellen kann. Überdurchschnittlich häufig treten dabei bei Kindern mit einer entsprechenden Empfindlichkeit Trennungsängste auf. Auch wenn dann häufig ein beschwerdefreies Intervall auftritt, kann ein akutes belastendes Ereignis zum erneuten Auftreten von Angstattacken führen.
Sicherlich war es nicht sehr feinfühlig, wie der Arzt in ihrer misslichen Situation reagiert hat. Dies ist aber nicht untypisch für viele gesundheitsbezogene Ängste. Ist man erst in einer angespannten Situation ist es ganz natürlich, dass man einseitig (selektiv) auf Gefahrensignale achtet und dabei auch eine ungünstige Selbstbeobachtung mit einer Erwartungsangst entwickelt. D.h. man ist ständig angespannt in der Erwartung, dass etwas schreckliches passiert. Diese Grundanspannung stellt selbstverständlich eine erhöhtes Stressniveau dar, so dass jetzt bereits kleineres Belastungen zum Auftreten von erneuten Angstanfällen beitragen können, nicht selten eben auch scheinbar spontan und ohne erkennbare Ursache.
Eine Behandlung sollte einerseits möglichst kurzfristig das Anspannungsniveau reduzieren. Dies kann einerseits durch eine fundierte und einfühlsame Information über die Ursachen und Wechselwirkungen der Angst geschehen. Häufig ist es auch sinnvoll, kurzfristig das erhöhte Anspannungsniveau zu senken. Dies kann zwar mit angstlösenden Medikamenten (Benzodiazepine erreicht werden), besser wären aber doch längerfristig wirksame Medikamente, die die Wahrnehmung und erhöhte Empfindlichkeit positiv verändern (z.B. Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer). Hilfreich ist eigentlich immer das Erlernen eines Entspannungsverfahrens (z.B. der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobsen). Viele Patienten erleben auch einen Ausdauersport als stress-senkend und damit langfristig förderlich.
In einer begleitenden Psychotherapie werden dann individuelle Auslöser und Auswirkungen der Angstsymptomatik identifiziert. Damit ist einerseits die Erwartungsangst bzw. daraus resultierende Verhaltensänderungen im Sinne von Vermeidungsverhalten gemeint. Häufig lassen sich akut vielleicht nachvollziehbare, langfristig sicher jedoch völlig irrationale Gedanken und Befürchtungen identifizieren und sinnvolle Bewältigungsmöglichkeiten im Umgang mit der Angst (statt gegen sie) zu entwickeln.