Sehr geehrter Herr Dr. Winkler.
Ich habe seit meiner Kindheit eine starke ADHS und habe bis zu meinem 18ten Lebensjahr Ritalin genommen. Nun bin ich 24 Jahre alt und studiere an einer Universität und habe vor 2 Monaten begonnen das Medikament Strattera zu nehmen, weil ich große Probleme habe mein Studium zu bewältigen, es durchzuplanen und konzentriert dabei zu bleiben. Ich nehme 25 mg am Tag ein.
Auch habe ich begonnen mich jetzt endlich einmal mit meiner ADHS auseinanderzusetzen, weil ich es früher nicht anzeptieren konnte und einfach nur normal sein wollte. Seitdem ich dies jedoch tue, beunruhigt mich jedoch vorallem eines: Zur Ursache von ADHS wird oft geschrieben, dass das Dopamin schneller im Synaptischen Spalt verschwindet und dem ADHSler deshalb das Dopamin kurzer zur Verfügung steht und er somit relativ betrachtet, oder zumindest über längere Sicht betrachtet, weniger Dopamin hat, da es ja schneller verschwindet. Dopamin und Serotonin werden sehr oft als Glückshormone bezeichnet. Meine Frage an Sie ist: Bin ich in meinem Leben dazu biologisch dazu verdammt unglücklicher zu sein, als andere Menschen, weil mir das Dopamin viel kürzer zur Verfügung steht und ich mein Glück deshalb nur viel kürzer genießen kann?
Meine zweite Frage ist: Ist das Glücksempfinden weg, wenn es im Synaptischen Spalt verschwindet?
Warum aber sind gerade Menschen mit ADHS so begeisterungsfähig für Neues?
Vor allem die erste Frage beunruhigt mich nunmehr schon eine Weile sehr. In meiner Verhaltenstherapie fühle ich mich bei dieser Frage nicht ernst genommen. Der Therapeut möchte mit mir an Zeitplänen arbeiten, aber auf diese Frage ist er so nicht so eingegangen, wie ich es mir gewünscht habe. Er fragte mich nur: Waren sie bisher immer unglücklich? Daraufhin antwortete ich, dass ich natürlich schon beide Gefühle in mir hatte und daraufhin meinte er: Also sehen sie. Sie müssen nur organisierter werden und vieles aus ihrer Kindheit aufarbeiten. Ihnen wurde oftmals gesagt, dass sie nicht richtig sind und zurückgewisen. Daran liegt das. Ich wollte dann mehr wissen, aber er ging darauf nicht ein und sagte mir, dass die Therapie keinen Wert hat und er sie abbrechen möchte, wenn wir nicht an dem arbeiten, was er als richtig ansieht. Und das sind im Moment Zeitpläne, die mir helfen sollen meinen Tag besser durchzuplanen.
Über eine Antwort, vorallem zu meiner ersten Frage wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Zunächst - ADHS-typisch - eine Randbemerkung : 25 mg Strattera ist reichlich wenig ....
Zum Dopamin : So pauschal kann man es natürlich nicht stehenlassen. Aber ADHSler müssen sich mehr anstrengen, um "Glück festhalten zu können". Ich beschreibe es immer so, dass der Dopaminstaubsauger überaktiv ist. Dopamin wird zwar ausgeschüttet, aber sofort von der (präsynaptischen) Zelle wieder aufgesaugt. Nur bei besonders tollen, neuen, herausfordernden Situationen wird somit genügend Dopamin freigesetzt, das auch an der nächsten Zelle ankommt. Das erklärt ja gerade, warum sich ADHSler immer wieder neuen Herausforderungen (Kicks) mit Dopaminausstoss suchen müssen.
Nun ist damit nicht unbedingt Glücksempfinden weg. Es gibt verschiedene Botenstoffe, die daran geknüpft sind. Zufriedenheit wäre eher über Serotonin vermittelt. Und allgemein kann man nicht so behaupten, dass es so einfach ein Problem der Botenstoffe allein ist. Das ist nur ein Teil des ganzen Problems.
Ich würde mal sagen, ADHSler empfinden Glück anders. Meine Patienten können beispielsweise häufiger einen Flow-Zustand erzielen (und mit einigen Tricks auch halten) als die STINOS (ohne ADHS). Das kann viel toller und lebendiger und auch entspannender sein als das stinknormale Dopamin....
So einfach ist es nicht. Allein die Botenstoffe auszugleichen reicht nicht bzw. funktioniert so einfach nicht.
Allerdings kann es (speziell bei Frauen) tatsächlich sinnvoll sein, einen SSRI = Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer zusätzlich zum Methylphenidat zu geben. (Bitte nicht Cipramil, sonst ist es egal welches SSRI).