Ihre Beschreibung erlebe ich derzeit in der Klinik in ähnlicher Form sehr häufig und stellt mich auch immer wieder vor Fragen und Herausforderungen. Rein formal würde ich sagen bzw. schreiben : Nein, dass ist kein ADS (vom unaufmerksamen Subtyp) - aber : Im Prinzip ist die Abgrenzung rein von der Symptomatik her kaum möglich.
Gerade viele intelligente und kreative Menschen bzw. Mädchen sind sehr empfindsam für Gefühle oder Wahrnehmungen allgemein. Wird diese Empfindsamkeit nicht gefördert, sondern eher immer wieder in Frage gestellt oder aber durch ständige Stressbedingungen (Trennungen der Eltern, Wohnortwechsel, eigene Ängste in der Kindheit, Unfälle oder Krankheiten) entwickelt sich eine ungünstige Verarbeitung von Informationen und Erlebnissen. Normalerweise wäre es so, dass man die Erlebnisse des Tages in der Nacht im Traumschlaf (REM-Schlaf) verarbeitet und dabei den emotionalen Anteil vom "Sachanteil" trennt. Dies setzt voraus, dass man Schlaf hat und dass die Menge von emotional "wichtigen" Wahrnehmungen auch verarbeitet werden kann. Bei empfindsamen Menschen ist nun (aus welchen Gründen auch immer) diese Verarbeitung gestört. Sie nehmen auf (teilweise auch Gefühle von anderen Menschen), es kann aber nicht so verarbeitet werden, dass es eine positive Lernerfahrung ist. Vielmehr schwirren dann Gefühle wie Fragezeichen durch den Kopf. Je stärker dann negativer Stress bzw. Zweifel werden, je stärker werden dann diese Emotionen wie "Trigger" empfunden. Man kann gar nicht mehr "frei" sein, sondern versucht nur noch irgendwie durch das Leben zu kommen. Man lernt nicht aus Erfahrung, weil Erfahrungen nicht richtig abgespeichert werden. Daher auch die "lange Leitung", da viele Dinge erst "neu gedacht" statt automatisiert erledigt werden müssen.
Mit ADHS bzw. ADS hat dies nur insofern zu tun, dass eben bei ADHS auch eine Reizfilterschwäche und hohe emotionale Labilität besteht, die zu so einer Symptomatik führen kann. Man würde aber beispielsweise auch bei Traumatisierungen in der Kindheit, anderen Erkrankungen in der Kindheit oder eben auch nur einer hohen Sensibilität ähnliche Symptomatiken finden. Von ADHS spricht man nur dann, wenn eben EINDEUTIGE Hinweise seit mindestens dem 7. Lebensjahr (aber eigentlich ja lebenslang) für syndromtypische Besonderheiten bestehen und sich auch von anderen Personen bzw. Aufzeichnungen objektivieren lassen. Bei Mädchen kann nun der unaufmerksame Subtyp häufig schwer zu entdecken sein. Dann sollten aber weitere Familienangehörige mit ADHS nachweisbar sein und sich letztlich dann doch typische Beeinträchtigungen der sog. Exekutivfunktionen insgesondere auch bei der Inhibition ("Bremsen") von Vorgängen und Emotionen lebenslang beschreiben lassen.
Medikamentös würde man dann halt nicht mit Stimulantien arbeiten. Für meine Patientinnen wende ich derzeit ein neues Veränderungswerkzeug an, dass die Gefühle bzw. emotionalen Netzwerke über innere Bilder anspricht und verändert (siehe
http://www.besser-als-erwartet.de). Damit kann man viele Erfahrungen dieser Patienten gut "abbilden" bzw. sich als Klient wiedererkennen. Allerdings ist "Emoflex" eben noch keine etablierte Therapie bzw. das dahinter stehende Erklärungsmodell noch nicht akzeptiert. Aber es erklärt gerade für die besondere Sensibilität und Empfindsamkeit gut, was im Gehirn passiert bzw. wie man dann therapeutich arbeiten muss.
Dazu würde man exemplarisch emotionale Belastungssituationen, die immer und immer wieder auftreten ("und täglich grüsst das Murmeltier") und in ein mehrdimensionales abstraktes Bild übersetzen. Diese Bilder würde man dann wie im Traumschlaf (REM = rapid eye movements) mit "wachen" Augenbewegungen bearbeiten und damit Veränderungsprozesse im Gehirn aktivieren. Diese lassen sich mit Kenntnis der Prozesse im Gehirn gut steuern. Dazu würde man beispielsweise von der einen Situation auf "alle" ähnlichen Situationen wechseln und wie auf einer Zeitachse alle ähnlichen "übersetzten" Bilder suchen und be- und verarbeiten. Damit werden Verletzungen bzw. Blockaden und Traumata aufgearbeitet, die einen das Leben über begleitet haben. Weit komplexer ist dann die Arbeit an der besonderen Empfindsamkeit und Wahrnehmungsbesonderheiten selber. Dies geht aber im Prinzip auch. Beispielsweise über die Sehwahrnehmung (Visussteuerung) kann man ermitteln, von wo das Gehirn einen ICH-Standpunkt hat und wie der sich verändert. Das ist aber etwas zu komplex, um es hier darzustellen. Man kann aber hier ähnlich arbeiten und gerade das Abgrenzen zu Wahrnehmungen von anderen Menschen erstaunlich gut verändern. Im Endeffekt ist es mit dem Verfahren möglich, die innere Wahrnehmung und Emotionsregulation auf einen Zustand zu bringen, der auch "FLOW" genannt wird. Alle Wahrnehmungen und Empfindungen bzw. Emotionen lassen sich dann frei regulieren bzw. "schwingen" normal mit. Ein schöner Zustand, auf den viele Menschen sonst nur Jahrzehnte hinarbeiten oder nur in Extremsituationen wie extremem Sport hinarbeiten.
Aber wie gesagt, dass ist bisher nicht allgemein akzeptiertes psychologisches Wissen sondern Erfahrungen meiner Klienten bzw. der Klienten vom "Erfinder" der Methode Johannes Drischel.