Während zwischenzeitlich Aufmerksamkeits- und Verhaltensstörungen bei ADHS oder soziale Wahrnehmungsprobleme und Besonderheiten aus dem Autismus-Spektrum stärkere Beachtung finden, sind Probleme der Sensorischen Integration bzw. Verarbeitung von Wahrnehmungen noch relativ unbekannt.
Im Prinzip kann man entweder zu empfindlich = hypersensibel oder aber eben zu wenig empfindlich = hyposensibel im Bereich der Wahrnehmung und Verarbeitung von Sinnesreizen sein. Meistens beziehen sich die geschilderten Probleme auf ein "zu viel" von Input = aufgenommenen Reizen.
Es fängt schon damit an, dass die Begriffe bzw. Definitionen nun total uneinheitlich sind und damit Therapeuten und Ärzte häufig sich scheinbar widersprechende Diagnosen bzw. überschneidende Beschreibungen abgeben.
In diesem Artikel geht es um Kinder (Jugendliche und Erwachsene), die über eine Reizüberflutung bzw. Probleme der Reizfilterung und -verarbeitung in einen Überforderungszustand kommen ("Overload"). Sie sind von der Fülle bzw. der zu starken Qualität und Quantität der aufgenommenen Reize und Informationen überlastet. Das Gehirn hat also ganz erhebliche Schwierigkeiten mit der Verarbeitung der von den Sinnesorganen gelieferten Informationen.
So wurde ich neulich von der Grundschullehrerin unseres Sohns angesprochen, ob wir ihn nicht mal zu einem Augenarzt schicken könnten. Das haben wir schon mehrfach gemacht. Nicht das Auge (oder die Ohren oder sonstige Sinnesorgane) sind das Problem bzw. haben eine Funktionsstörung, vielmehr ist die Verarbeitung im Gehirn nicht so entwickelt, wie es der Altersnorm entspricht.
Tatsächlich findet man die beschriebenen Phänomene und Probleme nun meistens nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit anderen Entwicklungs- und Verhaltensstörungen bzw. Lernproblemen. Es handelt sich dabei um ein sehr unterschiedlich ausgeprägtes Spektrum, d.h. die Probleme können ganz leicht ausgeprägt sein oder aber zu schwerwiegenden Problemen im Alltag, im Freundeskreis des Kindes und in der Schule führen.
Kinder mit sensorischen Verarbeitungsproblemen fallen in der Regel dadurch auf, dass sie besonders empfindsam scheinbar normale Reize wie Licht, Geräusche, Geruch, die Oberfläche von Kleidungsstücken, oder die sog. Textur von Speisen oder Getränken oder sonstige Sinneswahrnehmungen "nicht vertragen" bzw. diese als zu intensiv erleben. Das wiederum kann zu anderen Problemen führen.
In weiten Teilen entspricht das Konzept der Sensorischen Integrationsstörung also dem Thema "Hochsensibilität". Ich vermute aber, dass Autoren bzw. Bücher und Beschreibungen zu diesem Thema damit nicht wirklich immer das Gleiche meinen....
Die Fähigkeit zur Verarbeitung bzw. zum Filtern von Sinnesreizen entwickelt sich im Laufe des Lebens eine Kindes immer weiter. Es ist völlig normal, dass ein Kleinkind Lärm oder andere Sinnesreize besonders intensiv wahrnimmt und sich beispielsweise beim Vorbeifahren eines Feuerwehrautos die Ohren zuhält. Zu einer "Störung" wird es dann, wenn diese besondere Empfindlichkeit überdauernd, d.h länger und im Verlauf auch immer stärker auftritt und zu Problemen der Lebensqualität für das Kind und seine Angehörigen führt.
Es gibt nun ganz unterschiedliche Formen von Wahrnehmungsstörungen (beispielsweise die Zentrale Auditive Wahrnehmungsstörung), die man ggf. dann noch von anderen Problemen wie beispielsweise einer reinen Geräuschüberempfindlichkeit = Hyperakusis unterscheiden muss. Wie schon dargestellt : Die Bezeichnungen und auch die Konzepte sind da total uneinheitlich und verwirrend.
Im Zusammenhang der Sensorische Integrationsstörung oder Verarbeitungsstörung von Reizen spricht man nun von einer angeborenen Problematik. Die Entwicklung der Reizfilterung und Reizverarbeitung im Gehirn ist dabei noch nicht soweit entwickelt bzw. vernetzt, wie es dem üblichen Entwicklungsstand eines neurotypischen Kindes entsprechen würde.
Das Problem der Sensorischen Integration ist nicht allein die Stärke der aufgenommenen Reize und Informationen, es ist auch die emotionale Reaktion darauf.