Formale Denkstörung : Was ist eine formale Denkstörung

Gechrieben von: Dr Martin Winkler

Erstversion: 2013-11-30. Letzte Änderung: 2015-02-21.

Frage:

 Was ist eine formale Denkstörung ?

Welche formale Denkstörungen unterscheidet man im psychischen Befund nach dem AMDP-System ?

Antwort:

Was sind formale Denkstoerungen

Bei psychiatrischen Störungen kann entweder der Inhalt oder aber die Struktur bzw. der formale Aufbau von Gedanken bzw. der Wahrnehmung und Beurteilung beeinträchtigt sein. Daher unterscheiden Psychologen und Psychiater formale von inhaltlichen Denkstörungen.

Nach dem sog. AMDP-System (einem Klassifikationssystem psychischer Symptome) bei der Erfassung eines psychopathologischen Befunds werden 12 formale Denkstörungen unterschieden.

Denkhemmung

Von einer Denkhemmung spricht der Psychiater oder Psychotherapeut, wenn das Denken vom Patienten als blockiert bzw zäh und gegen einen inneren Widerstand erfolgt. Also wie "Kaugummi" bzw gegen eine innere Bremse erfolgen muss. Wichtig ist, dass die Patientin oder der Patient dies auch so empfindet.

Denkverlangsamung

Lässt sich eine stockender oder zäh verlangsamter Gedankenfluss auch von "aussen" durch den Therapeuten beobachten, weil die Gedanken nur sehr langsam gedacht bzw. ausgesprochen werden und das Gespräch sich eher wie Kaugummi hinzieht, so spricht man in der psychiatrischen Fachsprache von einer Denkverlangsamung.

Denkhemmung bzw. Denkverlangsamung sind sehr häufig bei der Depression zu finden.

Umständliches Denken

Diese formale Denkstörung ist durch das fehlende Setzen von Prioritäten gekennzeichnet. Der Patient kann wichtige von unwichtigen Dingen nicht unterscheiden und verliert sich immer wieder in Nebensächlichkeiten. Zumindest fällt es im Gespräch schwer, das Gespräch auf die (aus Sicht des Therapeuten) relevante Themen zu begrenzen.

Eingeengtes Denken / Gedankenarmut

Wenn das Denken auf sehr wenige Themen beschränkt ist und sehr rigide = unflexibel wirkt, spricht man von der formalen Denkstörung des Eingeengten Denken.

Die Patienten beschäftigen sich mit nur ganz wenigen Themen, was sich dann auch in der Wortwahl und den Inhalten des Gesprächs widerspiegelt.

Typisch ist die Gedankenarmut bei schweren psychiatrischen Erkrankungen wie der Schizophrenie. Kommt aber auch beispielsweise bei schwereren Depressionen oder der Zwangsstörung vor.

Persevation / perseverieren / perservierendes Denken

Übersetzt heisst es soviel wie das Haften bzw. krankhafte Beharren von Wörtern oder bestimmten Bewegungen oder auch Eindrücken. Wichtig ist, dass dieses Verharren bzw. Haftenbleiben eben nicht in den Zusammenhang passt bzw. der Patient eben selber nicht zu einer Unterbrechung bzw. Wechsel in der Lage ist.

Perservierende Gedaken und Abläufe sind typisch bei Demenz-Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz, bei Autismus, Zwängen oder auch bei psychotischen Störungen wie der Schizophrenie. Bei Vorliegen von Persevationen muss man immer auch an organische Ursache wie ein Frontalhirnsyndrom oder eine Epilepsie deken !

Grübeln

Nachdenken an und für sich ist ja prima. Beim Grübeln führt das Denken aber eben gerade nicht zu einem zielführendem Ergebnis, da das Denken immer wieder um ein Problem kreist. Etwas plastisch dargestellt : für eine Problemlösung ist es wichtig, dass man sich vom Problem "lösen" kann, d.h. nicht durch ständig gleiche Gedanken und Themen daran haftet. Grübeln ist eben dadurch gekennzeichnet, dass die Grübelgedanken keine neuen Sichtweisen bzw. Perspektiven ermöglichen und damit von ständigen negativen Emotionen bzw. depressiven oder angstbesetzten Gefühlen begleitet wird.

Die Patienten beschreiben dann eine Gedankenkreisen (z.B. in Form eines Mühlrades oder eines Gedankenkarussels). Wichtig erscheint dabei, dass es überhaupt einen Lösungsweg gibt, d.h. zwischen dem derzeitigen Ausgangszustand und dem angestrebten Ziel es einen Weg gibt. Sonst wäre es eher eine Utopie, d.h. man kann mit eigenen Mitteln und Nachdenken eben auch keine Lösung finden.

Beim Grübeln ist es aber typisch, dass gerade ein naheliegender Weg nicht gesehen oder akzeptiert wird und man immer und immer wieder neu mit dem Überdenken der Situation anfängt, dabei aber keinen Schritt weiter kommt.

Gedankendrängen

Hier handelt es sich um einen vom Patienten auch so empfunden inneren Druck bzw. Spannung, die zu einer Art Auslieferung an Gedanken, Einfälle oder Abläufe führt. Im Gegensatz zur Ideenflucht (bei der Manie) geht es hier also um die Eigenwahrnehmung der formalen Denkstörung.

Ideenflucht und Gedankenflucht

Von einer Ideenflucht spricht der Psychiater oder Psychologe, wenn sich im Gespräch bzw. dem psychischen Befund ein beschleunigtes Denktempo, zahlreiche quasi gleichzeitige Gedanken und Themen bzw. ein Wechsel der Themen nachweisen lassen. Man spricht auch von einem assoziativen Denkstil, da die Gedanken und Themen im Gespräch von Thema zu Thema hüpfen. Dabei greift der Patient aus einzelnen Wörtern bzw. Themen den Gedanken auf und begingt an einer völlig neuen Stelle. Neben der Manie findet man eine Ideenflucht besonders unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen. Aber auch bei einigen Patienten mit einer ADHS lässt sich diese formale Denkstörung beschreiben.

Vorbeireden

Diese formale Denkstörung erklärt sich fast von allein. Der Patient geht nicht auf die gestellte Frage ein. Voraussetzung ist, dass er diese gehört und inhaltlich auch verstanden hat und er grundsätzlich antworten könnte.

Gedankenabreißen und Gesperrtes Denken

Beschreibt der Patient / die Patientin selber eine Unterbrechung ihres Gedankenflusses spricht man von Gedankenabreissen. Ist dies durch den Psychologen / Psychiater von aussen in der Fremdwahrnehmung erkennbar wird das gleiche Phänomen als Gesperrtes Denken bezeichnet.

Inkohärentes und zerfahrenes Denken

Wenn in einem Gespräch die innere Logik fehlt bzw. der Patient nur in kurzen Bruchstücken ohne erkennbaren roten Faden antwort, spricht man von einem inkohärentem Denken. Der Begriff zerfahrenes Denken beschreibt dieses Phänomen schon ganz treffend. Die Gedanken und Einfälle sind für einen aussenstehenden Gesprächspartner quasi nicht mehr nachvollziehbar, da sie eher aus einem Wortsalat bzw. einfach nur einzelnen Begriffen oder Wortteilen besteht.

Inkohärentes Denken findet man als formale Denkstörung beispielsweise bei psychotischen Störungen der Schizophrenie oder der Manie (manisch-depressive Störung).

Neologismen

Bis zu einem gewissen Grad ist das "Erfinden" von Wortneubildungen bzw. einer eigenen Bedeutung von Symbolen oder Begriffen natürlich erlaubt bzw. für Kinder "niedlich". Im psychiatrischen Sinne auffällig wird es, wenn Wortbildungen (im Fachterminus dann Neolalie) im Zusammenhang mit weiteren formalen oder inhaltlichen Denkstörungen auftritt und dann auch als bizarr / sonderlich erlebt wird.

Quellen