ADHS und Schlaf : Probleme beim Einschlafen und Aufwachen bei ADHS / ADS / HKS

Gechrieben von: Dr. Martin Winkler

Erstversion: 2007-02-05. Letzte Änderung: 2014-11-22.

Frage:

 Gibt es einen Zusammenhang zwischen ADHS und Schlaf-Störungen?

Antwort:

Schlaf und ADHS / ADS


Schlafbezogene Auffälligkeiten finden sich sehr häufig bei ADHS-Betroffenen und lassen sich meist seit der frühen Kindheit nachweisen.

Sicherlich müssen ein nicht-erholsamer Schlaf bei chronischem Schlafmangel oder Insomnien unterschiedlicher Ursache (einschliesslich eines sog. Schlaf-Apnoe-Syndroms) als Erklärung für mangelnde Konzentrationsfähigkeit am Tag im Rahmen der Differentialdiagnostik von ADHS berücksichtigt werden. Neben übermässigem Fernsehen oder Computer / Videospiele können aber auch biologisch bedingte Auffälligkeiten an Schlafstörungen und morgendlicher Müdigkeit beteiligt sein. So weisen viele ADHS-Betroffene eine Reihe von schlafbezogenen Beschwerden auf, die einer gesonderten Behandlung bedürfen können. Fast immer lassen sich Probleme im Schlaf-Wach-Rhythmus als Teil der ADHS-Problematik nachweisen.

1. Einschlafstörungen - verzögerte Schlaflatenz

Nicht Einschlafen können ist für viele ADHS-Betroffene ein Problem. Die innere Unruhe bzw. Gedankenrasen verhindern gerade bei reizarmen Situationen (Dunkelheit, Ruhe) bei vielen Patienten, dass sie Abschalten können. So liegen sie ungleich länger im Bett oder können überhaupt nur vor "Erschöpfung" einschlafen - oder müssen zu Alkohol, Cannabis oder aber Schlaftabletten greifen. Zudem ist bekannt, dass ADHS-Patienten häufig deutlich unruhiger schlafen können. Wenn Methoden der Schlafhygiene nicht mehr greifen, kann man durch Anpassung der Medikation häufig eine Hilfe erzielen.

2. Schlafphasenverlagerung

Erst in den letzten Monaten wurde zunehmend wissenschaftlich beachtet, dass viele ADHS-Betroffene ein besonderes Tagesprofil aufweisen und häufig weit später müde werden bzw. nicht zu den "sozial üblichen" Tageszeiten wach werden. Viele Patienten berichten, dass sie erst weit in der Nacht Schlafen könnten, zu wiederholtem frühmorgendlichem Erwachen neigen bzw. dann am eigentlichen Morgen "Schlafen könnten". Dies hat u.a. auch mit der Produktion und Verfügbarkeit des für den Schlaf wichtigen Melatonin zu tun. Melatonin ist quasi das körpereigene "Schlafsignal". Man vermutet, dass bei ADHS-Klienten dieses Signal entweder nicht ausreichend oder aber zum falschen Zeitpunkt (spät in der Nacht) ausgeschüttet wird. Demnach wäre man dann erst zu spät in der Nacht müde, dafür am Morgen noch nicht wieder wach.

Bei dieser Form von Schlafstörungen kann eine gezielte Behandlung am Abend mit Melatonin angezeigt sein.

3. Morgendliche "Müdigkeit" / Probleme beim Aufstehen

Trotz mehrerer Wecker und anderen Tricks gelingt es ADHS-Patienten häufig nicht, am Morgen wach zu werden. Häufig benötigen sie ungleich länger um aktiv zu werden und einfache Verrichtungen bis zum Beginn der Schule oder Arbeit werden zu Qual. Gerade bei Jugendlichen werden dabei nicht nur Schlafmangel (durch vorabendliche Aktivitäten) und eine bei Jugendlichen häufig physiologisch verschobene Tag-Nachtrhythmik eine Rolle spielen, sondern eben auch die ADHS-spezifischen Probleme.

4. Restless legs / unruhige Beine

Neuere Untersuchungen belegen, dass es eine häufigere Komorbidität von ADHS und dem sog. Restlless-leg-Syndrom (RLS) gibt. Beide haben vermutlich pathogenetisch eine Störung im Dopaminsystem als Grundlage. Hier ist eine sorgfältige Differentialdiagnostik (häufig nur in einem Schlaflabor) zur Sicherung der Diagnose RLS und ein aufeinander abgestimmtes Therapievorgehen erforderlich.

5. Schlaf-Apnoe-Syndrom und weitere schlafbezogene Erkrankungen

Lautes, starkes Schnarchen und Atemaussetzer mit anschliessendem lauten "Arousal" sind typische Merkmale des sog. Schlaf-Apnoe-Syndroms. Dieses ist einerseits eine wichtige Differentialdiagnose von ADHS, lässt sich aber eben auch häufig gemeinsam mit einer ADHS-Veranlagung aufzeigen.

6. Schlafstörungen durch Medikation ?

Wiederholt wird darauf hingewiesen, dass Stimulanzien Schlafstörungen verursachen könnten und daher nicht am späteren Nachmittag eingenommen werden sollten. In der klinischen Praxis bestätigt sich dies aber nur selten. Häufiger ist gerade bei sorgfältiger Verwendung von niedrigen Dosierungen von Methylphenidat am späten Abend eine Besserung zu erzielen.

Dagegen können Schlafmittel (besonders Benzodiazepine) und Alkohol oder Drogen das natürliche Schlafmuster noch weiter zerstören und mittel- bis langfristig schwere Schlafstörungen auslösen und unterhalten. Da viele ADHS-Patienten zu frei verfügbaren Arzneimitteln (oder eben Benzodiazepinen oder Neuroleptika) greifen, ist dabei häufig ein 2-Phasen-Effekt zu beobachten. Während des Tages wird ein eher aktivierender Effekt durch Medikamente oder Koffein gesucht, abends dann eine "Sedierung". Hier besteht ein erhebliches Potential für einer schwere Suchtentwicklung!

Laute Wecker bei ADHS-Schlafstörungen