Frage:
Wie läuft ein Doppelblindversuch mit Methylphenidat bei ADHS ab ?Antwort:
In einigen Kliniken ist es noch üblich, einen sog. Doppelblindversuch mit Psychostimulanzien zu machen, bei dem entschieden werden soll, ob das Kind oder Jugendlicher von einer Medikation mit den Psychostimulanzien (in aller Regel mit Methylphenidat) profitiert oder vielleicht doch eher andere Faktoren wie übertriebene Erwartungen an das Kind, Entwicklungsprobleme in anderen Bereichen oder soziale Schwierigkeiten vorrangig wären.
Man muss hier zunächst einmal klarstellen, dass es sich hier nicht um eine Testung wie bei der Zulassung eines neuen Medikamentes handelt, bei der eine Gruppe von Patienten mit dem Wirkstoff, eine andere Gruppe mit einem Scheinmedikament (Placebo) behandelt wird.
Vielmehr handelt es sich um eine Testung beim gleichen Kind, das über einen bestimmten Zeitraum entweder den Wirkstoff oder aber eben das gleich aussehende Scheinmedikament enthält. Dafür gibt es zumindest für die Methylphenidate identisch aussehende Tabletten. Eine aussenstehende Person füllt also über einen Zeitraum von meist 4 Wochen in einer dem Arzt bzw. auch Patienten nicht bekannten Reihenfolge entweder Placebo oder Methylphenidat in Medikamenten-Schälchen. Anhand von Selbst- und Fremdbeurteilungs-Bögen (z.B. Conners-Rating-Skale) und dem Verhalten in der Schule bzw. zu Haus sollen dann sowohl das Kind wie auch Eltern und eben Lehrer einschätzen, wie sich die Konzentration und das Verhalten des Kindes verändert haben.
Das ist eine sehr gute und letztlich nicht wirklich beantwortbare Frage. Die Befürworter dieses Verfahrens meinen, dass sie damit einen objektiveren Einblick darüber erhalten, ob das Kind wirklich auf die Medikation angewiesen ist. Sicherlich ist es richtig, dass man so wenig Medikamente wie nötig, aber eben so viel wie erforderlich gibt. In Berichten von Kinder- und Jugendpsychiatern wird im stationären Setting dann gerne darauf hingewiesen, dass sich ADHS-Kinder ja durchaus kurzzeitig gut anpassen können, wenn es sich um eine hochstrukturiertes Umfeld wie eine Klinik bzw. Klinikschule handelt. Häufig seien bei behandelten und nicht behandelten Kindern dann gleich gute Leistungen in Hinbllick auf die Konzentration bzw. Verhaltensstörungen zu beschreiben.
Ambulant tätige Kinder- und Jugendärzte bzw. Kinderpsychiater sind da nicht so überzeugt. Sie erleben das Kind und seine Familie ja unter "natürlichen" Bedingungen des Alltags. Häufig aber eben nur in einer Momentaufnahme eines kurzen Arztkontaktes . Sie verweisen dann darauf, dass das verwendete Verfahren in der Klinik überhaupt nicht auf die ambulante Situation übertragbar sei. Es sei überhaupt kein Wunder, in den Kliniken eben weniger Unterschiede in der Wirkung bzw. Nicht-Wirkung zu sehen, da eben die Anforderungen an die höheren Hirnfunktionen im Bereich der Selbstkontrolle dort weit geringer sind bzw. durch mehr Struktur und weniger Störfaktoren durch grosse Klassen, Ablenkung und Lärm etc geprägt seien.
Zunächst scheint es ja prima zu sein, wenn man versucht möglichst objektiv zu ermitteln, ob das Kind bzw. Jugendlicher nun von der Medikation profitiert. Dabei wird aber ein entscheidender Fehler gemacht, der in der Natur der Testung selber liegt. Für die Ersteinstellung müsste man zunächst eine individuelle Dosis ermitteln, bei der das Kind am besten von der Medikation profitiert. Wir wissen, das es dabei keine pauschale Regel gibt. So brauchen einige Kinder "nur" 2,5 bis 5 mg einer Einzeldosis von Methylphenidat, die meisten sind mit 10 mg gut eingestellt. Andere benötigen aber eben mehr (z.B. 20 mg Einzeldosis). Wenn man aber zu schnell und zu hoch einsteigt, werden die Nebenwirkungen der Ersteinstellung klar im Vordergrund stehen, d.h. Übelkeit, Bauchschmerzen, Schwindel oder andere Probleme, die auf die veränderte Wahrnehmung selber, aber eben auch auf Reaktionen des vegetativen Nervensystems zurück zu führen sind.
Da die kurz wirkenden Methylphenidate zwischen 2,5 und vielleicht 5 h wirken muss zudem genauer definiert sein, WANN denn die Beurteilung erfolgt. Wenn das Kind morgens zu Aufstehen die Medikation erhält, aber um 11.30 eine Klassenlehrerin auffällt, wie unruhig der Zappelphilipp ist, dann liegt das eben gerade NICHT an der Medikation. Diese wirkt ja gerade nicht mehr, sondern jetzt beschreibt der Test letztlich nur den sog. REBOUND-Effekt, d.h. das Nachlassen der Wirkung und verstärkte Wiederauftreten der ADHS-Symptomatik
Das wird fast nie in den Testungen berücksichtigt, obwohl es ein ganz offensichtliches Problem ist.
Ich persönlich habe grosse Probleme mit der Verabreichung von einem Scheinpräparat an Kinder mit ADHS. Letztlich werden Sie ja betrofen, können aber selber nicht die Zustimmung oder Ablehnung dieses "Versuches" geben. In praktisch allen Bereichen der Medizin wird die Gabe von Placebo daher von Ärzten als unmoralisch abgelehnt.